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eines Helden schildert, so ist eben nichts anderes gemeint als
eine gute Rüstung, die so und so viel Ochsen gekostet hat. Wenn
aber ein Mönch des Mittelalters die Gewänder eines Heiligen be-
schreibt, so kann man sich darauf verlassen, daß er unter diesen
Gewändern ebensoviele Tugenden versteht und einen Moralbegriff
in jedem Satz verbirgt.
Auch die klassische Götterwelt und die im Altertum bekannten
Personifikationen, wie Fortuna, Victoria, Psyche, sind in den Reigen
christlicher Allegorie aufgenommen. Das herrlichste Beispiel antik
ausgeschmückter christlicher Symbolik ist Dantes Göttliche Komödie.
Man hat das Gebäude seiner Dichtung mit einem gotischen Dom
verglichen. Der Vergleich ist auch darin richtig, daß die Härte und
Kälte der Abstraktion mit der Gewalt dichterischer Begeisterung
besiegt, durchleuchtet, lebendig gemacht ist, wie bei den gotischen
Kirchen der Stein überwunden, fast gespenstisch durchleuchtet er-
scheint. Die spitzfindige Allegorie blüht gleich einer natürlichen
Blume. Drachen, Zentauren und antike Götter schmücken und stützen
das Gebäude so selbstverständlich, als gehörten sie zur christlichen
Überlieferung. Unter dem Schutze einer nur ästhetisch gebundenen
Phantasie verbinden sich weit auseinanderliegende Begriffe durch
die Kühnheit großartig erfundener Symbole.
In der scholastischen Tradition und in manchen mystischen Schriften
erscheint als seltsames Symbol der Schönheit die mittelalterliche
schöne Helena. Irenaeus erzählt in dem Buch contra Haereticos von
einem gewissen Simon, dem Magier, der später von den Aposteln
überwunden wird. Dieser Simon bewirkt seine Zaubereien durch
Mithilfe einer gewissen Helena, die er beständig in geheimnisvoll
verhangener Sänfte mit sich führt und in welcher jene Helena wieder
auflebt, um derentwillen Troja fiel, Inbegriff und Sinnbild verführerisch
gefährlicher Schönheit.
Sie hat schon viele Wiedergeburten erfahren. Ursprünglich war sie
ein reiner Engel, mußte aber, auf Erden verirrt, mancherlei Gestalt
annehmen, auch zur Buhlerin und Sklavin sich erniedrigen.
So erreicht Helena — als Symbol der Schönheit — den Stand
mittelalterlichen Denkens, im gnostischen Mythos der Sophia, der
heiligen Weisheit, aufgenommen und mit dieser verquickt. Denn die
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