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zeichnend ist für das ästhetische Ideal seiner Zeit, den Ausdruck
honnete komme. Mann von Geschmack, von Welt, der seine
geistigen Schätze nicht für sich allein, sondern als Zier der Gesell-
schaft haben soll.
C’est peu d’etre agreable et charmant dans un livre
II faut savoir encore et converser et vivre.
In demselben Sinn kann Bossuet den Genuß des Lebens auf edle
Weise nicht vom Genuß am Menschen trennen.
Nach der philosophischen Auffassung des Kanzelredners scheint
es, als teile Gott dieses Empfinden und habe den Menschen wie die
ganze Welt aus ästhetischem Gesellschaftsbedürfnis geschaffen, sogar
aus passion, aus Leidenschaft, wie es einmal heißt.
Am klarsten und schönsten enthüllt sich das ästhetische Ideal der
Zeit in den Schriften Shaftesburys.
Jene Sokratische Ironie, die einst die Gespräche über Schönheit
und Weisheit trefflich würzte, will er neu und mit größtem Nach-
druck anwenden. Denn die Geschmacksfrage, die so sehr zur
brennenden Frage geworden, läßt sich am füglichsten durch An-
wendung von Ironie lösen.
Die Ironie im Dienste des ästhetischen Tugendbegriffes ist ein be-
sonderes Merkmal der französischen Moralisten, eines La Bruyere,
eines Saint-Evremond. Ihnen reihen sich La Rochefoucauld und später
Vauvenargues an, auch Boileau bediente sich in seinen Satiren der-
selben Waffe.
Allein Shaftesbury zieht die Schlußfolgerung und erhebt die be-
stehende Praxis zum gültigen Gesetz. Feierlich erklärt er die
Lächerlichkeit für fluchwürdig, weil sie dem Geschmacklosen anhafte
und weil nur ein geschmackvoller Mensch weise und gut sein könne.
Den Prüfstein des Lächerlichen the test of ridicule will er an alles
legen und erinnert sich der Worte des Horaz:
Ridiculum acri
Fortius et melius magnas plerumque secat res.
Charakteristisch preist er den römischen Dichter als the most
gentleman-like of roman poets. Er kann dem verehrten und ge-
liebten Autor kein höheres Lob erteilen als das, ein vollendeter
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