strebt, kann einer vor des anderen Tugend *) Achtung, Liebe und
Ehrfurcht hegen.
Schiller und Goethe als Revolutionäre des Revolutionszeitalters, als
Befreier dachten nicht daran, jene äußeren Unterschiede, die historisch
begründet sind, plötzlich abzutragen. Sie schätzten die Würde des
augusteisch denkenden Fürsten, des Edelmanns und geistigen Würden-
trägers, wie jene des Landmanns und Handwerkers, des Kunst-
beflissenen, des noch tief verachteten Schauspielers.
Alle Orgeltöne sind der Orgel nötig, um ihre große Musik zu
geben.
Jene herzliche gastfreundliche Wärme, die das deutsche Geistes-
leben in seiner klassischen Zeit dem fremden Geistesleben entgegen-
brachte, gab ihm den tiefen Reichtum der Orgel.
Die großen Gedanken ihrer Vorgänger aus Nord und Süd, aus
West und Ost, aus den eigenen Tagen und aus dem Altertum waren
notwendig, die Größe unserer geistigen Führer zu bilden. Sie nahmen
dankbar und hochherzig an, was Europa gab, und stellten ihre Arbeit
nicht nur auf Deutschland ein, sondern auf die ganze Welt.
Stolz wiesen sie nur das von sich, was vor strengem Schönheits-
glauben nicht bestehen kann. Goethe mit Verachtung oder Spott,
wie zum Beispiel im Bürgergeneral die groteske, unästhetische Seite
des revolutionären Geistes schonungslos aufgedeckt wird und das
Ergreifen des Herrscheramtes durch lächerliches Gesindel satirisch
geschildert ist. Schiller hat den oft allzugeduldigen Deutschen einen
Hort edeln Zorns hinterlassen, aus dem sie immerdar schöpfen
könnten, um sich gegen alle Schädlinge der Schönheit — der
Freiheit gewährenden und in Freiheit begriffenen Schönheit — zu
wehren.
Nicht nur Die Räuber tragen das stolze Wort in tyrannos an der
Stirn. Sein Leben lang war Schiller ein unerschrockener Bekenner
und zu jedem seiner Werke stimmt das Geleitwort: in tyrannos.
Lieber in böhmische Wälder fliehen als die Seele dem Häßlichen
beugen, lieber knabenhaft wilde Auflehnung als zu Kreuz kriechen
vor Heuchelei.
') Im Schillerschen Sinn von Kraftvermögen — virtus.
167
Ehrfurcht hegen.
Schiller und Goethe als Revolutionäre des Revolutionszeitalters, als
Befreier dachten nicht daran, jene äußeren Unterschiede, die historisch
begründet sind, plötzlich abzutragen. Sie schätzten die Würde des
augusteisch denkenden Fürsten, des Edelmanns und geistigen Würden-
trägers, wie jene des Landmanns und Handwerkers, des Kunst-
beflissenen, des noch tief verachteten Schauspielers.
Alle Orgeltöne sind der Orgel nötig, um ihre große Musik zu
geben.
Jene herzliche gastfreundliche Wärme, die das deutsche Geistes-
leben in seiner klassischen Zeit dem fremden Geistesleben entgegen-
brachte, gab ihm den tiefen Reichtum der Orgel.
Die großen Gedanken ihrer Vorgänger aus Nord und Süd, aus
West und Ost, aus den eigenen Tagen und aus dem Altertum waren
notwendig, die Größe unserer geistigen Führer zu bilden. Sie nahmen
dankbar und hochherzig an, was Europa gab, und stellten ihre Arbeit
nicht nur auf Deutschland ein, sondern auf die ganze Welt.
Stolz wiesen sie nur das von sich, was vor strengem Schönheits-
glauben nicht bestehen kann. Goethe mit Verachtung oder Spott,
wie zum Beispiel im Bürgergeneral die groteske, unästhetische Seite
des revolutionären Geistes schonungslos aufgedeckt wird und das
Ergreifen des Herrscheramtes durch lächerliches Gesindel satirisch
geschildert ist. Schiller hat den oft allzugeduldigen Deutschen einen
Hort edeln Zorns hinterlassen, aus dem sie immerdar schöpfen
könnten, um sich gegen alle Schädlinge der Schönheit — der
Freiheit gewährenden und in Freiheit begriffenen Schönheit — zu
wehren.
Nicht nur Die Räuber tragen das stolze Wort in tyrannos an der
Stirn. Sein Leben lang war Schiller ein unerschrockener Bekenner
und zu jedem seiner Werke stimmt das Geleitwort: in tyrannos.
Lieber in böhmische Wälder fliehen als die Seele dem Häßlichen
beugen, lieber knabenhaft wilde Auflehnung als zu Kreuz kriechen
vor Heuchelei.
') Im Schillerschen Sinn von Kraftvermögen — virtus.
167