und Vorurteile verachtete sie nun grundsätzlich und brachte damit
wirklich eine Umwälzung des Urteils zustand.
Man rannte — und dabei ging es nicht ohne blutige Köpfe ab —
gegen alles Mögliche an, trat für die Gotik ein, für das Ungeheuer-
liche, für das Komische und Groteske. Man verlangte Verständnis
für die Nachbarn, George Sand zweifelte an der bürgerlichen Moral
und Lamartine zweifelte sogar an der gloire*).
Die Natur wurde recht eigentlich entdeckt mit allen ihren Schön-
heiten. Noch vor kurzem hatte man wie Kant das aufgeregte Meer
nur gräßlich gefunden, jetzt feierten es Hugo und Michelet in herr-
lichen Worten, jetzt ließ sich ein Horace Vernet an den Mast binden
mitten im Sturm, um dessen Schönheit zu erfassen.
Im Zeichen der Romantik wurden in Frankreich die Künstler und
Dichter zu unermüdlich frommen Schönheitsanbetern in der Natur
und wußten sich mit dem Kleinsten wie mit dem Größten in liebe-
volle Bindung zu setzen, lange treu dem hoffnungsreichen Wort
Stendhals: La beaute est une promesse de bonheur.
XLVIII
In England, wo sich das Philistertum mächtig ausbreitet, entstehen
ihm Gegner verschiedenster Art.
Einer der ernstesten ist Carlyle, der Verehrer und Versteher des
deutschen Geistes. Er schreibt wie Goethe der Persönlichkeit den
höchsten Wert zu und empfiehlt eindringlich Ehrfurcht vor vollen-
detem Heldentum. Von ihm stammt das Wort, das den Bestre-
bungen der Besten in neuer Zeit Mut zusprechen kann: Es ist jedes
Menschen Pflicht, ein Stückchen Schöpfung schöner, weiser, besser zu
machen.
Dieser Gedanke wird vervollständigt durch die Lebensarbeit einer
Reihe von schönheitseligen Dichtern, die besagt, man müsse schöner,
weiser, besser werden durch andachtsvolles Erleben des Schönen.
*) Cette gloire revee, oü la trouverais-tu?
Crois-tu que ce reflet de la splendeur supreme,
Cette immortalite qui sort de la mort meme,
Soit ce mot profane qui passe tour a tour
Du grand komme d'hier au grand komme du jour?
(XIIe Harmonie.)
212
wirklich eine Umwälzung des Urteils zustand.
Man rannte — und dabei ging es nicht ohne blutige Köpfe ab —
gegen alles Mögliche an, trat für die Gotik ein, für das Ungeheuer-
liche, für das Komische und Groteske. Man verlangte Verständnis
für die Nachbarn, George Sand zweifelte an der bürgerlichen Moral
und Lamartine zweifelte sogar an der gloire*).
Die Natur wurde recht eigentlich entdeckt mit allen ihren Schön-
heiten. Noch vor kurzem hatte man wie Kant das aufgeregte Meer
nur gräßlich gefunden, jetzt feierten es Hugo und Michelet in herr-
lichen Worten, jetzt ließ sich ein Horace Vernet an den Mast binden
mitten im Sturm, um dessen Schönheit zu erfassen.
Im Zeichen der Romantik wurden in Frankreich die Künstler und
Dichter zu unermüdlich frommen Schönheitsanbetern in der Natur
und wußten sich mit dem Kleinsten wie mit dem Größten in liebe-
volle Bindung zu setzen, lange treu dem hoffnungsreichen Wort
Stendhals: La beaute est une promesse de bonheur.
XLVIII
In England, wo sich das Philistertum mächtig ausbreitet, entstehen
ihm Gegner verschiedenster Art.
Einer der ernstesten ist Carlyle, der Verehrer und Versteher des
deutschen Geistes. Er schreibt wie Goethe der Persönlichkeit den
höchsten Wert zu und empfiehlt eindringlich Ehrfurcht vor vollen-
detem Heldentum. Von ihm stammt das Wort, das den Bestre-
bungen der Besten in neuer Zeit Mut zusprechen kann: Es ist jedes
Menschen Pflicht, ein Stückchen Schöpfung schöner, weiser, besser zu
machen.
Dieser Gedanke wird vervollständigt durch die Lebensarbeit einer
Reihe von schönheitseligen Dichtern, die besagt, man müsse schöner,
weiser, besser werden durch andachtsvolles Erleben des Schönen.
*) Cette gloire revee, oü la trouverais-tu?
Crois-tu que ce reflet de la splendeur supreme,
Cette immortalite qui sort de la mort meme,
Soit ce mot profane qui passe tour a tour
Du grand komme d'hier au grand komme du jour?
(XIIe Harmonie.)
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