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XLIX

Einen imposanten Versuch, die Streitfragen zwischen Laien und
Künstler aus der Welt zu schaffen, lieferte Hegel in seinem weit-
läufigen Gedankengebäude, und seine Wirkung reichte weit hinaus.
Der Philister verstand den Philosophen zwar nur von ungefähr,
fühlte sich jedoch durch ihn angenehm beruhigt.
Hegel unterzog den Bildungsgang der Menschheit einer historisch-
kritischen Betrachtung. Den einfachen hedonistischen Begriff eines
Nützlichkeitsstadiums der Kunst griff er wieder auf, aber eigenartig
verwendet und im Anschauungsgebiet vergrößert. Er ließ nämlich
nicht mehr gelten, daß die Kunst noch immer für jugendliche Ge-
müter eine Versüßung oder Vorbereitung der Philosophie bedeute,
wie es mancher frühere Theoretiker behauptet, sondern er wies ihr
diese Rolle nur für das Jünglingsalter der Menschheit zu und gab
ihr so eine rein historische, allerdings wichtige Stelle.
Kunst — lehrte Hegel — sei nur eine minderwertige Philosophie,
eine Vorstufe des Erkennens.
Die ersten Lehrerinnen der Menschheit waren Religion und Kunst.
Nun ist die Welt der fraulich weichen Pflege entwachsen und ver-
langt, ins Mannesalter getreten, das Wissen zum Führer.
Nicht ohne Wehmut gelangt Hegel zu dieser Ansicht, es schmerzt
ihn, daß die Menschen von Religion und Kunst Abschied nehmen
müssen, dem Kinderfrohsinn und dem Jünglingstraum entsagen. Doch
die Reife drängt und Reife verträgt sich allein mit Wissen. In der
nackten Erkenntnis ohne Zuhilfenahme der Phantasie liegt das Einzige,
was des Strebens und Bewunderns wert geblieben ist.
Hegel war persönlich ein warmer Kunstfreund und rühmte sich, der
Gedankennachfolger von Kant, Schiller und Schelling zu sein, aber
die Logik seines philosophischen Systems zwang ihn, die Kunst in
gewissem Sinn zu verleugnen. Nur ihre transitorische, historische
Aufgabe wird gewürdigt. Vor dem Glanz reiner Philosophie muß
ihr Licht armselig verschwinden: Die Kunst, sagt er, gehört zu un-
serer Vergangenheit. Das Besondere der künstlerischen Produktion
verbietet nunmehr, daß die Kunst unseren höchsten Bedürfnissen
genüge.

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