VIII
EINFÜHRUNG
nach dem Osten reichende Christentum jenes äußeren Glanzes entbehrte, den
es als Staatsreligion im Westen erreichte, so bedeutete dies eine weitgehende
Reinigung von dem westlichen Geiste, den es während der ersten Jahrhunderte
aufgenommen hatte, eine Rückkehr zu jenen weniger monumentalen aber
reineren volkstümlichen Formen, von denen es als Urchristentum ausgegangen
war. Nur dort, wo es sich im Osten gegen und trotz Islam in hohem Grade
nationale Selbständigkeit bewahren konnte und an ziemlich selbständige fürstliche
Gewalten gebunden blieb, wie in Armenien, ergab sich eine reichere und selb-
ständigere Entfaltung des Volkstümlichen. Dies ist es aber, das auch den Westen
immer wieder zu neuer Verinnerlichung führte und für ihn entscheidend wurde.
Dort, im Mittelmeerkreis, wurde die Teilung in einen lateinischen und
griechischen Kulturbezirk von Bedeutung. Die stärkere direkte Berührung und
Vermischung der griechischen Welt mit den östlichen Ideen ergab ein weit frucht-
bareres und reicheres Bild als dies in der lateinischen Hälfte der Fall sein konnte.
Dort mischte sich ein degeneriertes Bürgertum mit kraftlosen und bereits ver-
dorbenen Emporkömmlingen aller Rassen und arbeitete auf den äußeren und
inneren Zusammenbruch der antiken Zivilisation hin. Dies gilt freilich auch für die
Großstädte des östlichen griechischen Mittelmeerkreises, vor allem Alexandria
und Antiochia als Zentren der verderbten hellenistischen Hochzivilisation. Hinter
ihnen standen aber die Völker, in denen eine uralte eigene Kulturüberlieferung
volkstümlich weiterlebte und zur nationalen Konsolidierung drängte: Die Kopten
in Ägypten, die Nestorianer in Syrien, die Jakobiten in Nordmesopotamien, die
Manichäer in Persien, Kleinasiaten und Armenier. Während diese mehr oder
minder eine nationale kirchliche Selbständigkeit suchten und erlangten, stellte der
lateinische Westen bald den von den Römern ererbten Gedanken der Weltmacht
entgegen, nach dem es, wie früher ungeachtet der Nationen nur römische Bürger,
so jetzt nur Gläubige eines römischen Christentums geben sollte.
Wie politisch so trat der Westen des Mittelmeeres auch kulturell gegenüber
den griechischen Gebieten zurück, das Christentum verband sich in ihm mit
einer ersterbenden Zivilisation, als deren geistiger Hüter es erst später fruchtbar
werden sollte, als es mit der staatlichen Konsolidierung der nördlichen Gebiete bei
Franken, Angelsachsen und Germanen Neuland betrat. Im östlichen Mittelmeer
lag aber in der Neubefruchtung des alten Kulturbodens eine größere Gewähr für
das Fortleben der antiken Kultur, freilich nicht in dem Sinne eines unveränderten
Bewahrens der alten Güter, sondern von deren Anpassung und Fortentwicklung
EINFÜHRUNG
nach dem Osten reichende Christentum jenes äußeren Glanzes entbehrte, den
es als Staatsreligion im Westen erreichte, so bedeutete dies eine weitgehende
Reinigung von dem westlichen Geiste, den es während der ersten Jahrhunderte
aufgenommen hatte, eine Rückkehr zu jenen weniger monumentalen aber
reineren volkstümlichen Formen, von denen es als Urchristentum ausgegangen
war. Nur dort, wo es sich im Osten gegen und trotz Islam in hohem Grade
nationale Selbständigkeit bewahren konnte und an ziemlich selbständige fürstliche
Gewalten gebunden blieb, wie in Armenien, ergab sich eine reichere und selb-
ständigere Entfaltung des Volkstümlichen. Dies ist es aber, das auch den Westen
immer wieder zu neuer Verinnerlichung führte und für ihn entscheidend wurde.
Dort, im Mittelmeerkreis, wurde die Teilung in einen lateinischen und
griechischen Kulturbezirk von Bedeutung. Die stärkere direkte Berührung und
Vermischung der griechischen Welt mit den östlichen Ideen ergab ein weit frucht-
bareres und reicheres Bild als dies in der lateinischen Hälfte der Fall sein konnte.
Dort mischte sich ein degeneriertes Bürgertum mit kraftlosen und bereits ver-
dorbenen Emporkömmlingen aller Rassen und arbeitete auf den äußeren und
inneren Zusammenbruch der antiken Zivilisation hin. Dies gilt freilich auch für die
Großstädte des östlichen griechischen Mittelmeerkreises, vor allem Alexandria
und Antiochia als Zentren der verderbten hellenistischen Hochzivilisation. Hinter
ihnen standen aber die Völker, in denen eine uralte eigene Kulturüberlieferung
volkstümlich weiterlebte und zur nationalen Konsolidierung drängte: Die Kopten
in Ägypten, die Nestorianer in Syrien, die Jakobiten in Nordmesopotamien, die
Manichäer in Persien, Kleinasiaten und Armenier. Während diese mehr oder
minder eine nationale kirchliche Selbständigkeit suchten und erlangten, stellte der
lateinische Westen bald den von den Römern ererbten Gedanken der Weltmacht
entgegen, nach dem es, wie früher ungeachtet der Nationen nur römische Bürger,
so jetzt nur Gläubige eines römischen Christentums geben sollte.
Wie politisch so trat der Westen des Mittelmeeres auch kulturell gegenüber
den griechischen Gebieten zurück, das Christentum verband sich in ihm mit
einer ersterbenden Zivilisation, als deren geistiger Hüter es erst später fruchtbar
werden sollte, als es mit der staatlichen Konsolidierung der nördlichen Gebiete bei
Franken, Angelsachsen und Germanen Neuland betrat. Im östlichen Mittelmeer
lag aber in der Neubefruchtung des alten Kulturbodens eine größere Gewähr für
das Fortleben der antiken Kultur, freilich nicht in dem Sinne eines unveränderten
Bewahrens der alten Güter, sondern von deren Anpassung und Fortentwicklung