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MACHTCHRISTENTUM

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Chios und in Daphni läßt es gerechtfertigt erscheinen, hier nur einige Bilder
des am wenigsten zerstörten Zyklus des letztgenannten Klosters vorzuführen,
der bereits aus der ersten Komnenenzeit (zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts)
stammt. Gegenüber dem bereits erwähnten ikonenhaft strengen Pantokrator
im Kuppelzenith (Tafel 74) führen die Festbilder in einen weniger monumentalen
aber durch genrehafte Ausschmückung (Tafel 76a, Bad des Kindes), sprechende
Gebärden (Tafel 76b links, Adam und Eva) und scharf erfaßte, oft auch zum
Sentimentalen neigende Züge (Tafel75) den Beschauer menschlicher ansprechenden
Darstellungskreis. Vielfach, wie selbst in dem Kreuzigungsbild (Tafel 75), spürt
man in Haltung und Gebärden freilich das Vorschriftsmäßige, Konventionelle,
gerade darin liegt aber ein Hauptgrund, warum diese Bilder nie zu gewöhnlichen
Historien im Sinne des Westens werden und immer den Abstand des Gläubigen
von der dargestellten heiligen Szene fordern. Dasselbe gilt für die in den Bildern
erscheinenden Einzelgestalten, wo neben dem auffallenden Realismus der Neben-
personen (Tafel 76b, Gruppe rechts) die wenn auch beseelte Typik der Haupt-
personen aber auch ein besonders die jugendlichen und weiblichen Figuren
(Tafel 76a) durchziehender idealisierender Zug steht, dem man die Abkunft von
hellenistischenVorbildern anmerkt. Der freie Fluß des griechischen Faltenwurfs und
das strengere dekorative Zeitkostüm, ja sogar der Geometrismus und die abstrakte
Reihung orientalischer Ornamentik (Tafel 76a, Bettdecke) stehen nebeneinander.
Aber all das Widersprechende, aus Vergangenem und Fremdem Übernommene
ist formal höchst sinnreich zu einer Einheit gefügt und selbständig bewältigt.
Man achte, wie in der Darstellung Christi in der Vorhölle die Hauptgestalt durch
ihre Größe und den starken Zug der Falten herausgehoben ist und durch die
Achsen des Doppelkreuzes monumentalen Halt gewinnt, wie gegenüber dieser
Großzügigkeit, die durch Ausschaltung der räumlichen Umgebung nur an Klarheit
gewinnt, die Zertrümmerung der Pforten des gefesselt dargestellten Hades in
den noch im Untergewand Christi anklingenden linearen Ausdruck sich kreuzender
Richtungen umgesetzt wird; wie die Erlösung in den aufstrebenden Rhythmen
des befreiten Adam und Evas verbildlicht ist und die Szene links durch die
alttestamentlichen Könige, rechts durch Johannes und die Pharisäer ihre ruhigen
Eckpfeiler bekommt. Die verinnerlichte Schaffenskraft wird nicht durch das
gelehrte Wissen um die äußere Erscheinung, nicht durch das geistvolle Erfinden
neuer Szenenbildungen von dem ruhigen Erleben des Vorgeschriebenen und
dessen rhythmischen Ausdruck abgelenkt. Wohl ist die Idee bildlich greifbar
 
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