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BILDERSTURM, ISLAM UND ARMENIEN

In einem hatte aber Armenien gegenüber den arabischen und persischen
Gebieten eine besondere Stellung. Hier war das Christentum vom beginnenden
4. Jahrhundert an Staatsreligion, die Fürsten blieben auch später, teils als by-
zantinische, teils als Statthalter des islamischen Reiches, Christen. Bei deren weit-
gehender und oft auch tatsächlicher Selbständigkeit war die nationale Kirche
ein bedeutender Machtfaktor, und dies zu veranschaulichen diente auch bei aller
Volkstümlichkeit die Kunst. Abgesehen davon, daß die meisten der Kirchen
und Klöster Stiftungen der Fürsten waren, kam dies darin zum Ausdruck, daß
sich die Erbauer vereinzelt auch der Darstellung bedienten, und damit einerseits
die Bahnen des byzantinischen Machtchristentums, vor allem aber auch die der
eigenen bis in die parthische und sasanidische Zeit zurückreichenden Über-
lieferung übernahmen. So finden sich neben den ornamentalen und symbo-
lischen Elementen an den Kirchen repräsentative Stifterdarstellungen, die einer-
seits nach ihrem gegenständlichen Typus, Tracht und formaler Behandlung an
iranische Steinreliefs oder parthisch - sasanidische Münzbilder erinnern und
damit als Abkömmlinge der darstellenden altiranischen Hofkunst (im Gegen-
sätze zur symbolisch-religiösen) erscheinen, anderseits aber auch Typen über-
nehmen, die der byzantinische Westen nach dem Bilderstreite fortführte. Als
Hauptvertreter aus dem 10. Jahrhundert erscheint die Kirche von Achtamar
(Abb. 6), wo innerhalb des überaus reichen symbolischen Reliefschmuckes auch
der König Gagik als Stifter mit dem Kirchenmodell in sasanidischer Königs-
tracht gegeben ist, während bei der ihm gegenüberstehenden Christusgestalt
bereits wieder der griechische Faltenwurf erscheint, freilich in den linearen
Flachstil des Ostens umgesetzt. So wird in diesem Denkmale östliche und west-
liche Darstellung als Folge eines Machtwillens vereinzelt wieder lebendig.
Diese Art hat aber auch bereits früher auf den byzantinischen Kreis und das
Abendland übergegriffen und zum gutenTeil dazu beigetragen, den byzantinischen
dekorativen Monumentalstil über den Bilderstreit hinwegzuretten. In Cividale
(Oberitalien) treffen wir an der inneren Eingangswand einer Kirche der lango-
bardischen Zeit eine höchst merkwürdige Dekoration in dem dem Osten so ge-
läufigen Stuckmaterial (Tafel 61). Die sechs Figuren des oberen Streifens mögen
wohl noch an die früheren byzantinischen Repräsentationsbilder gemahnen, aber
es fehlt die individuelle Spannung und die plastische Gedrängtheit in der Fläche.
Persische Muster bedecken Mäntel und Säume, die in parallelem oder fächer-
förmigem Kerbschnitt gehaltene strenge Faltengebung ist die der gleichzeitigen
 
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