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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0364
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Brüssel

Folgen in der Regel nicht nach Serien, sondern nach Stücken vor sich. Diese zweite
Folge dürfte mit den, im Laufe des siebenjährigen Krieges von dem Marschall de Con-
tades erworbenen Behängen identisch sein, die auf dem einst Granvella gehörigen
Landsitze in der Nähe Mecherns hingen.

Die Geldverlegenheit Pannemakers wächst sich weiter aus, wenn auch nicht in dem
Maße, wie bei seinem illustren Vorgänger Peter van Aelst. Morillon berichtet, er habe
endlich die Pferde für den Transport der Folge bekommen, sie hätten aber nutzlos
herumstehen müssen «par la faulte du paiement que Pannemaker avoit assignö ä
ses cröditeurs, que ne Font voulu döcharger ny luy me dölivrer les tapisseries jusque
ilz fussent entierement pai6z, pour le mauvais bruit que l'aultre at de mal payer.
Touttefois il s'est fort cholerö contre le dict Pannemaker, selon que verrez, et avec peu
de raison" (31).

Die weiteren Auszahlungen gehen an Pannemaker durch die Hand Jakobs de Van-
denesse. Der letztere ist kein Wirker, wie mehrfach irrtümlich angenommen wurde,
sondern Rechnungsführer und Kontrolleur des kaiserlichen und königlichen Hauses.
Er ist der Autor der „Relation des voyages de Charles Quintn und führt den
Titel eines königlichen „aide de Chambre". Am 9. Februar 1567 beschwert sich
Morillon bei Granvella, daß von Spanien noch keine Nachricht über die Ankunft der
Noahfolge eingelaufen sei. Die Pannemakersche Arbeit ist zweifelsohne mit der aus
drei Teppichen bestehenden Serie im Madrider Staatsschatze identisch. Die Korrespon-
denz Granvellas an den königlichen Sekretär Gonzalo Perez (32) bringt die Bestätigung.
Das Schreiben vom 10. März 1563 behandelt eingehend die Bordüren der Noah-
geschichte — y embiandole bordes de tapisseria para aquella que su (magestad) manda
hazer de la historia de Noe —, für die Philipp II. ein starkes Interesse an den Tag legt.
Die ursprünglichen Bordürenkartons sind verloreu gegangen, es sollen neue Entwürfe
beschafft werden, unter denen der König auszuwählen gedenkt. Inzwischen sitzt, wie
der Kardinal unverblümt ausspricht, Pannemaker infolge der Unordnung vollkommen
fest; sein angenommenes großes Wirkerpersonal vertrödelt beschäftigungslos die Zeit.
Die Verhandlungen ziehen sich in die Länge. Philipp II. scheint das vorgeschlagene
neue Muster nicht ganz zuzusagen, trotzdem die Anregung auf ihn selbst zurückzu-
führen sein dürfte. Die Bordüren bringen nicht mehr und weniger wie einen ganzen
zoologischen Garten. In der unteren Umrahmung tummeln sich Seetiere und Wasser-
geflügel der verschiedensten Art. Die Seiten zeigen in wald- und hügeldurchsetzten
Landschaften einheimisches Wild, europäisches und exotisches Raubzeug. Die obere
Bordüre schließlich ist der Vogelwelt gewidmet; Falken, bunte amerikanische und
allerlei heimische Vögel durchschwirren die Luft oder sitzen auf der schmalen Orna-
mentkante, die die innere Bildfläche rahmt. Die Bordüre illustriert einen eigenartigen,
persönlichen Zug Philipps IL, der eine ausgesprochene Vorliebe für zoologische Stu-
dien besaß und mit Eifer seine Lieblinge in dem Zwinger des Eskorial abkonterfeien
ließ. Was dem Herrscher augenscheinlich nicht so recht gefiel, war die nicht ge-
nügend naturgetreue Wiedergabe der Tierwelt, die auf den Bildteppich zugeschnit-
tene, künstlerische Umwertung des Motives. Was Philipp verlangte, war trockenes
Wissen, ein in köstlichstem Materiale hergestelltes zoologisches Anschauungsblatt. Gran-
vella sucht zu vermitteln, auch Philipps Hofmaler, Francisco Hernandez, scheint seinen
Einfluß geltend gemacht zu haben (33).

Man sucht den Herrscher zu bestimmen, in den Ecken und in den Mitten der seit-
lichen Bordüren kleine biblische Szenen in runden, lorbeergefaßten Kartuschen ein-
zuschalten. Das Ergebnis sind die Rundmedaillons in den beiden oberen Ecken mit
dem Wappen des Königs. Philipp H. legt besonderen Wert darauf, die Bordüren-
kartons, entgegen dem üblichen Brauche, von dem Wirker zurückzuerhalten. Am
23. August 1567 schreibt Morillon an Granvella, er habe im Auftrage Vandenesse's die
Patronen der Noahfolge an sich genommen und späterhin an den uns durch die
Tunisteppiche bereits bekannten Simonet de Parenty abgeliefert. Neuerdings seien
sie wieder in seinem Besitze, da Pannemaker angeblich die Folge in höherem Auftrage

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