Brüssel
das umso vollendeter war, je treuer es den Karton kopierte. Am 26. Februar 1626
schreibt Rubens an Valaves (191): «J'apprends avec peine par les lettres de M. de la
Planche qn'il ne parait pas qu'on soit dispose ä payer le reste de ce qui m'est dü,
au sujet des cartons de tapisseries que j'ai fait pour le Service de Sa Majeste\ M. de
Fourcy (der oberste Intendant der königlichen Bauten) et M. Katelin (Jaquelin de
Guillet de Saint George, Schatzmeister der Staatsbauten) ne sont assurement pas
hommes de parole".
Die umfangreichste Rubensfolge, die Triumphe des Abendmahls und des katho-
lischen Glaubens, schuf der Meister 1627 — 1628 im Auftrage der Infantin Isabella. Die
Reihe, die schon mehrfach Gegenstand unserer Besprechung war, bestand aus insge-
samt 15 Kartons. Die Originalteppichfolge bildet noch jetzt einen Schmuck des Ma-
drider Klarissenklosters, die Entwurfskizzen und die großen Patronen, die 1648 nach
Spanien überführt und in der Kirche des Dorfes Loeches bei Madrid untergebracht
wurden, hatten ein vielbewegtes, in der Rubensliteratur ausführlich gewürdigtes
Schicksal.
Typisch für die Rubensreihen ist in erster Linie die einheitliche Komposition, die
Verschmelzung von Bild und Bordüre, die allerdings bei der Decius Mus- und der
Konstantinsfolge noch nicht zur Anwendung gekommen ist. Schon die Kartons der
Achillesreihe gehen von dem Rechteck der Bildfläche ab und lassen die Umrahmung
willkürlich in die Mitteldarstellung eingreifen. Noch energischer wird das Prinzip,
das die Bordüre ihres Rahmencharakters entkleidet, in der Triumphserie durchgeführt.
Aus der ornamentalen Fassung wird ein mächtiges, architektonisch reich gegliedertes
Tor. Der Architrav ruht auf gewundenen reliefierten Säulen; Fruchtgehänge, Teppiche
mit reichen Brokatmustern dienen als Schmuck, den Mittelstein ersetzt die Kartusche
mit der erklärenden Inschrift. Die untere Bordüre fehlt überhaupt, eine schmale
Leiste dient als Abschluß. Alles ist darauf berechnet, die Bildwirkung zu verstärken;
der lebhafte, bewegte Zug mit seiner Unzahl von Gestalten, die stark verkürzt ge-
zeichneten Zermalmten, die sich unter den Rädern winden, erhöhen den packenden
Realismus der Szene.
Die weitere Auswirkung des Rubensschen Bordürenstiles durch Jordaens bildet eine
der interessantesten Wandlungen, die die Bildteppichfassung durchläuft.
Es bleibt den Schülern und Nachfolgern des großen Meisters vorbehalten, die von
ihm geschaffene neue Art dem Charakter des Bildteppichs anzupassen, die Wucht
Rubensscher Gestaltungsfähigkeit mit dekorativen Elementen zu vermählen. Es tritt
naturgemäß eine Abschwächung ein, die den Entwurf, als Bild genommen, an künst-
lerischem Werte mindert, dem Wandteppich, als flächenhaftem Momente, jedoch zwei-
felsohne zugute kommt. Charakteristisch für die in dem Atelier des Meisters und
unter seinem Einfluß entstandenen Folgen, ist das Wiederkehren gewisser Figuren,
die Verwendung typischer Einzelheiten in den verschiedensten Serien. Das eigen-
artig gebogene Knie, das Peiresc zu Anständen Veranlassung gibt, das durch eine
nationale Eigentümlichkeit in nicht gerade schmeichelhafter Form — «c'est lä l'effet
de quelque defaut ou une particularitö nationale, car il est des pays oü tout le monde
est bancroche (krummbeinig)" — entschuldigt wird, findet sich auf vielen Rubens-
teppichen.
Der mehrfach erwähnte allegorische Behang der Deciusfolge (Abb. 304) zeigt die
Eigentümlichkeit in besonders auffälliger Weise. Noch merkwürdiger berührt die
Tatsache, daß auch die Bewaffnung des Helden — Helm, Panzer und Beinbekleidung —
des öfteren wiederkehrt, ja geradezu ein Merkmal für die unter Rubensschem Einflüsse
entstandenen Reihen bildet. Zweifellos handelt es sich um Ausstattungsstücke, die
in dem Atelier des Meisters bei antiken Folgen ständig benutzt wurden, die nachge-
rade dem entwerfenden Künstler völlig in Fleisch und Blut übergingen. Schon der
drachentötende St. Georg — um 1607 — im Madrider Pradomuseum trägt den gleichen
Helm, die gleichen Schuhe wie Decius; Mucius Scaevola in der Budapester Samm-
lung beweist in der gleichen Rüstung seinen Heldenmut vor Porsenna; der sterbende
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das umso vollendeter war, je treuer es den Karton kopierte. Am 26. Februar 1626
schreibt Rubens an Valaves (191): «J'apprends avec peine par les lettres de M. de la
Planche qn'il ne parait pas qu'on soit dispose ä payer le reste de ce qui m'est dü,
au sujet des cartons de tapisseries que j'ai fait pour le Service de Sa Majeste\ M. de
Fourcy (der oberste Intendant der königlichen Bauten) et M. Katelin (Jaquelin de
Guillet de Saint George, Schatzmeister der Staatsbauten) ne sont assurement pas
hommes de parole".
Die umfangreichste Rubensfolge, die Triumphe des Abendmahls und des katho-
lischen Glaubens, schuf der Meister 1627 — 1628 im Auftrage der Infantin Isabella. Die
Reihe, die schon mehrfach Gegenstand unserer Besprechung war, bestand aus insge-
samt 15 Kartons. Die Originalteppichfolge bildet noch jetzt einen Schmuck des Ma-
drider Klarissenklosters, die Entwurfskizzen und die großen Patronen, die 1648 nach
Spanien überführt und in der Kirche des Dorfes Loeches bei Madrid untergebracht
wurden, hatten ein vielbewegtes, in der Rubensliteratur ausführlich gewürdigtes
Schicksal.
Typisch für die Rubensreihen ist in erster Linie die einheitliche Komposition, die
Verschmelzung von Bild und Bordüre, die allerdings bei der Decius Mus- und der
Konstantinsfolge noch nicht zur Anwendung gekommen ist. Schon die Kartons der
Achillesreihe gehen von dem Rechteck der Bildfläche ab und lassen die Umrahmung
willkürlich in die Mitteldarstellung eingreifen. Noch energischer wird das Prinzip,
das die Bordüre ihres Rahmencharakters entkleidet, in der Triumphserie durchgeführt.
Aus der ornamentalen Fassung wird ein mächtiges, architektonisch reich gegliedertes
Tor. Der Architrav ruht auf gewundenen reliefierten Säulen; Fruchtgehänge, Teppiche
mit reichen Brokatmustern dienen als Schmuck, den Mittelstein ersetzt die Kartusche
mit der erklärenden Inschrift. Die untere Bordüre fehlt überhaupt, eine schmale
Leiste dient als Abschluß. Alles ist darauf berechnet, die Bildwirkung zu verstärken;
der lebhafte, bewegte Zug mit seiner Unzahl von Gestalten, die stark verkürzt ge-
zeichneten Zermalmten, die sich unter den Rädern winden, erhöhen den packenden
Realismus der Szene.
Die weitere Auswirkung des Rubensschen Bordürenstiles durch Jordaens bildet eine
der interessantesten Wandlungen, die die Bildteppichfassung durchläuft.
Es bleibt den Schülern und Nachfolgern des großen Meisters vorbehalten, die von
ihm geschaffene neue Art dem Charakter des Bildteppichs anzupassen, die Wucht
Rubensscher Gestaltungsfähigkeit mit dekorativen Elementen zu vermählen. Es tritt
naturgemäß eine Abschwächung ein, die den Entwurf, als Bild genommen, an künst-
lerischem Werte mindert, dem Wandteppich, als flächenhaftem Momente, jedoch zwei-
felsohne zugute kommt. Charakteristisch für die in dem Atelier des Meisters und
unter seinem Einfluß entstandenen Folgen, ist das Wiederkehren gewisser Figuren,
die Verwendung typischer Einzelheiten in den verschiedensten Serien. Das eigen-
artig gebogene Knie, das Peiresc zu Anständen Veranlassung gibt, das durch eine
nationale Eigentümlichkeit in nicht gerade schmeichelhafter Form — «c'est lä l'effet
de quelque defaut ou une particularitö nationale, car il est des pays oü tout le monde
est bancroche (krummbeinig)" — entschuldigt wird, findet sich auf vielen Rubens-
teppichen.
Der mehrfach erwähnte allegorische Behang der Deciusfolge (Abb. 304) zeigt die
Eigentümlichkeit in besonders auffälliger Weise. Noch merkwürdiger berührt die
Tatsache, daß auch die Bewaffnung des Helden — Helm, Panzer und Beinbekleidung —
des öfteren wiederkehrt, ja geradezu ein Merkmal für die unter Rubensschem Einflüsse
entstandenen Reihen bildet. Zweifellos handelt es sich um Ausstattungsstücke, die
in dem Atelier des Meisters bei antiken Folgen ständig benutzt wurden, die nachge-
rade dem entwerfenden Künstler völlig in Fleisch und Blut übergingen. Schon der
drachentötende St. Georg — um 1607 — im Madrider Pradomuseum trägt den gleichen
Helm, die gleichen Schuhe wie Decius; Mucius Scaevola in der Budapester Samm-
lung beweist in der gleichen Rüstung seinen Heldenmut vor Porsenna; der sterbende
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