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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0528
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Arras stammen ferner Simon Lamoury (1401), Jehan Lamoury (1404) und Colard de
Gres. Zweifelhaft erscheint der Beruf des Robert Pousson, «ouvrier de haulteliche".
1409/10 wird gelegentlich einer gerichtlichen Entscheidung zwischen dem Rate der
Stadt und den Vertretern der St. Peterskirche ein Tapissier Jehan Filloel erwähnt. Im
zweiten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts tauchen verschiedentlich französische Haute-
lissiers auf, die zweifelsohne gleichfalls als Wirker anzusprechen sind. Es handelt sich
um Pierard Beghin aus St. Denys (1412) und Antoine Semectre aus Paris (1412).

Auffällig ist auf jeden Fall die verhältnismäßig geringe Inanspruchnahme der Liller
Manufakturen durch den Landesherrn; die Tatsache ist um so beachtenswerter, als
der Herzog ständig in engster Fühlung mit den Räten seiner Kammer steht. Voraus-
sichtlich handelt es sich bei weitaus den meisten Liller Ateliers, vielleicht mit Aus-
nahme Ransarts, um Kleinbetriebe, die sich nicht mit umfangreichen Arbeiten schon
aus rein finanziellen Gründen abgeben können und ihre Tätigkeit auf Kissenblätter,
Maultierdecken und dergleichen beschränken. 1424 liefert Simon Le Vinchent, «mar-
cheteur", verschiedene Bankteppiche mit dem Liller Wappen — weiße Lilien auf
rotem Grunde — für den Schöffensaal der Stadt. Die Arbeit ist «par marchie^, d. h.
in Basselissetechnik gefertigt (2). 1442 tritt Jacquemard Largeche tthault-liceurM mit
einer ähnlichen Lieferung in Erscheinung. Es handelt sich um die Ergänzung der
Arbeit Le Vinchents. Largeche fertigt 23 Kissenblätter (48 Quadratellen) „figures en
chaculne aulne en quarrure une blanche fleur de lys".

1453 werden Jacquemard Largeche und GhillebertDeleplanque mit weiteren Lieferungen
betraut. Diesmal werden außer den üblichen Lilienkissen auch Rückenlaken für das
Gestühl der Schöffen verlangt. Es handelt sich augenscheinlich um jene langen, schmalen
Wirkereien, wie sie namentlich in den deutschen Sitzungssälen zur Zeit üblich sind. Der
Liller Rat stellt die für die Rückenlaken nötigen Patronen mit den Wappen «du roy nostre
sire, de M. S. de duc de Bourgoigne et de M. S. de Saint-Pol" zur Verfügung. Die drei
Wappenentwürfe werden mit je 16 Deniers vergütet; der Maler ist leider nicht genannt.
Die Hervorhebung Ludwigs von Luxemburg, Grafen von Saint-Pol, liegt in seiner
Eigenschaft als Stadt-Kommandant — um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen —
begründet. Die beiden Wirker, wiederum als „marcheteurs" bezeichnet, erhalten für
die 767a Quadratellen 68 L 12 s. 6 d. Wahrscheinlich leistete sich die Stadt diese
etwas ungewöhnliche Ausgabe in Hinblick auf das im gleichen Jahre stattfindende
„Fasanenfest" Philipps des Guten. Die Veranstaltung, wohl die prunkvollste und
glänzendste des burgundischen Hofes, ist hinreichend bekannt. Lille ist eifrig bemüht,
das seinige zur Erhöhung der Festesfreude beizutragen. Unter den Mitwirkenden findet
sich der Tapissier Franz Le Haze, der ein «drap point", wohl eins jener bemalten
Tücher, die bisweilen auch als Patronen dienten, aufhängt (3). Die Wirkteppiche,
die die Festsäle zieren, entstammen dem herzoglichen Schatze; das gleiche gilt für den
Schmuck der Außenseiten der Hauptgebäude.

Das Ausleihen von Wirkteppichen ist in Lille, ähnlich wie in Paris, Brüssel, Tournai
und anderen größeren Orten, bei festlichen Gelegenheiten gang und gäbe. Der Brauch
hält sich u. a. bei der Pariser Fronleichnamsfeier bis in die zweite Hälfte des 18. Jahr-
hunderts. Als Herleiher kommen in Lille in erster Linie Händler, weniger Wirker in
Betracht. Das Geschäft des Aufhängens besorgen die Tapissiers. Die Namen sind ohne
sonderlichen Belang. Wir finden 1460—1466 Peter Delos, 1471 Jehan Calet, 1474 Grad
Lejosne usw.

Die Herstellung von Kleinwirkereien bleibt auch in der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts die Haupttätigkeit der einheimischen Wirker. 1457 erwirbt Karl von Charolais,
der spätere Karl der Kühne, von dem Liller Meister Camus Dujardin vier gewirkte
Bankteppiche und einen Wandbehang von 6 Ellen Länge und 3 Ellen Höhe. Es
handelt sich den Abmessungen nach um Kleinarbeiten, wahrscheinlich um Wappen-
tapisserien. 1470 liefert Jehan de Haze — seit 1461 Liller Bürger — dem Herzog vier
Wirkereien, 3 Ellen hoch, 8—10 Ellen lang; kleine Dimensionen im Vergleich zu den
Erzeugnissen von Arras, Paris und Tournai. Die Manufaktur des Dujardin wird durch

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