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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0376
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Brüssel

gewirkt sein. Bei den Horizontalbordüren ist ein derartiges Verfahren noch ver-
ständlich, da die große, dem Kettfaden entlang laufende Spalte sowieso ein nachträg-
liches Vernähen erforderlich macht. Die Methode ist jedoch unbedingt zu verwerfen,
sobald die Seitenbordüren oder einzelne Teile der Bildfläche selbst in Frage kommen.
Die Spannungsverhältnisse, die der Teppich je nach der Größe erfordert, sind nicht
die gleichen wie bei den schmäleren Teilstücken. Entsprechend erfolgt nach Abnahme
des Stückes vom Stuhle die Zusammenziehung. Ein Beuteln des Behanges, ein welliges,
unschönes Aussehen ist nach dem Zusammensetzen der verschiedenen Teile die unab-
wendbare Folge, wenn nicht besondere auf diese Art Technik eingeschulte Arbeits-
kräfte vorhanden sind.

Nach wie vor schließen sich in Brüssel mehrere Kleinmeister zusammen, wenn es
sich um Ausbesserungen größerer Teppichfolgen handelt. 1557 arbeiten gemeinsam
Estienne Peperman, Loys de Mestre, Henri Van Onniwerken, Franchois Meurtz, Jehan
Bogaertz, Joes Orleur, Peter Schuere und Gilles Vander Heyden „pour nettoyer et
estoupper plusieurs pieces de tapisseries" (50).

Jehan Rigau, Vater und Sohn, sind 1571 rund 61 Tage an der Wiederherstellung
verschiedener größerer Behänge aus landesherrlichem Besitz tätig, entsprechend werden
im gleichen Jahre Gilles de Bouturle, Loys Duprö und Willem Mense erwähnt. 1586
werden in dem Atelier der Gertrud Waghenans, der Witwe des Wirkers Johann
Breuckelinck, von den mit ihr zusammen arbeitenden Verwandten Johann und Wilhelm
Breuckelinck und des letzteren Sohn verschiedene Bildteppiche der Majestät von Spanien
wieder hergestellt. Die Breuckelinck'sche Werkstatt scheint einen gewissen Umfang
besessen zu haben, die daselbst tätigen Wirker sind wahrscheinlich Rentraiteure, die
neue Folgen nicht schaffen, sondern sich lediglich mit Reinigungs- und Wiederher-
stellungsarbeiten abgeben. Sie bilden schon früh eine Klasse für sich, ähnlich wie
die eigenartige Gesellschaft der „ouvriers appoincteurs^, die den Teppichen mit Hilfe
trockener Kreiden den letzten Schliff gibt, oder die speziell für den Teppichversand
eingeübten Packer. Mit dem vorrückenden 16. Säkulum gestaltet sich eine klare, ein-
wandfreie Trennung der tatsächlichen Wirker von den Händlern oft schwierig.

Bisweilen sind die Persönlichkeiten, die mit hervorragenden Aufträgen betraut werden,
dem Brauche der Zeit folgend, in den Belegen nur mit dem Vornamen angeführt.
Es ist außerordentlich bedauerlich, daß von dem Meister Leo, der 1513 den Herkin-
baldteppich nach einem Karton des van Roome-Orley-Ateliers wirkte, nichts näheres
bekannt ist.

Eine Sonderstellung in der großen Masse der Brüsseler Wirker nimmt der schon
erwähnte „tapicero mayor" Hermann Vermeiren ein. Ursprünglich Inhaber einer
eigenen Manufaktur, dürfte der Meister in den Spätjahren seines Lebens sich lediglich
der durch sein Amt bedingten Verwaltungstätigkeit gewidmet haben. Vermeiren oder
Vermeeren betreibt nebenbei noch den Handel mit gepreßten, vergoldeten und ver-
silberten Ledertapeten. Er bezieht 1596 den Betrag von 2513 liv. 5 s. für „15 chambres
et un quart de tapisserie de cuir dore, or sur or, et or sur argent". Meister Hermann
hat eine bewegte politische und wirtschaftliche Vergangenheit hinter sich. Er betrieb
in den siebziger Jahren eine nennenswerte Manufaktur in Lissabon, bereiste Portu-
giesisch-Indien und kam 1596 mit seinem Gönner Erzherzog Albert, dem Vizekönig
von Portugal, zurück nach Brüssel (51).

Johann Dermoyen liefert 1545 dem Kaiser eine mit Gold und Silber durchwirkte
Jessefolge von acht Behängen für 2500 Livres (52). Der Wirker gehört einer alten
Brüsseler Familie an. Machiel van der Moyen tritt 1433 als „Leerknape" in die Gilde
ein, ein Christian der Moyen wird 1528 erwähnt, ein Meister Wilhelm d'Armoyen
steht in enger Geschäftsverbindung mit den Antwerpener Großhändlern Daniel und
Anton de Bomberghen. Sie verkaufen gemeinsam um 1529 durch ihren Agenten an
König Franz I. die „Trois Actes des Apötres^ für den Preis von 8254 liv. 13 s. 9 d.

Es handelt sich um einen Dermoyen, wahrscheinlich um Johannes, der zu Anfang
der dreißiger Jahre den bekannten Maler Peter Coecke van Aelst nach Konstantinopel

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