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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (I. Teil, Band 1): Die Niederlande — Leipzig, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.12244#0405
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Brüssel

Im Besitze des Fürsten Torlonia in Rom befinden sich noch 14 Fenster- und Balkon-
teppiche. Es sind lange, schmale Stücke, die bei Prozessionen und anderen festlichen
Gelegenheiten aufgehängt werden. Amoretten und mythologische Szenen füllen die
Mittelkartusche, das übrige Feld deckt Arabeskenwerk auf blauem Grunde. Die Be-
hänge tragen die Brüsseler Marke und die Initialen U. L. (Urban Leyniers) (99).

Die van den Hecke gehören mit zu den ältesten Wirkergeschlechtern Brüssels. Ein
Leo van den Hecke büßt bei der Plünderung der Antwerpener Pant verschiedene
Folgen ein, die er Amant Yrancx zum Verkaufe in Kommission übergeben hat. Es handelt
sich um die Historie Davids mit sechs Teppichen, die Geschichte Abrahams, die aus
sieben Stück besteht, und zwei Serien Waldteppiche «boscaiges^ von neun und zehn
Behängen. Insgesamt werden dem Meister nicht weniger als 32 Wirkteppiche ent-
wandt. Schon der Umfang des Verlustes zeigt, daß wir es mit einem der größeren
VVirkereiunternehmer Brüssels zu tun haben.

Die Signaturen der verloren gegangenen Folgen weisen zwei Marken auf, von
denen die eine ein H mit einem zwischen die beiden oberen Balken gesetzten V zeigt,
die andere besteht aus zwei mit der Spitze gegeneinander gestellten Dreiecken. Die
letztere Signierung findet sich gleichfalls auf der «Histoire de Nabot et Achab", die
der Antwerpener Wirker und Händler Daniel Thienpont einbüßt,

Jeder Zweifel, ob es sich um eine van den Heckesche Folge handelt, wird durch
eine Erklärung behoben, die die aus dem Lager des Corneille Vlemeens geraubten
sieben „boscaiges" näher erläutert. Die Verdüren tragen w7ieder die zwei Dreiecke;
die Signierung wird ausdrücklich als die des „van den Heckea bezeichnet.

Schließlich bringt Monsignore Barbier de Montault in seinem Inventar der in Rom
befindlichen Bildteppiche eine Cäsarfolge, die die Dreieckmarke nicht stehend, sondern
hegend neben dem Brüsseler Stadtzeichen wiedergibt, Ob tatsächlich eine Arbeit
unseres Meisters vorliegt, läßt sich, ohne die Teppiche zum mindesten in photographi-
schen Wiedergaben gesehen zu haben, nicht ohne weiteres feststellen. Die gleiche
hegende Dreieckmarke führt eine dem 16. Jahrhundert angehörige Folge von acht
Teppichen der Wiener Staatssammlung, die Episoden aus dem Hirtenleben schildert
(Abb. 303). Es hegt die starke Wahrscheinlichkeit vor, daß wir es mit einer Arbeit Leos
van den Hecke zu tun haben. Der Vatikan und das Haus Barberini besaßen einen er-
heblichen Bestand an Wirkereien aus dem Atelier des Franz van den Hecke, so daß
die Möglichkeit, daß die führenden römischen Kreise bereits mit seinem Großvater oder
Onkel in geschäftlicher Verbindung standen, an Bedeutung gewinnt.

Franz van den Hecke ist einer der bekanntesten Teppichwirker des 17. Jahrhunderts;
er ist wahrscheinlich der Sohn des Jan van den Hecke, der 1633/34 als Doyen der
Wirkerzunft stirbt. Über Meister Jan ist wenig sicheres bekannt. Die österreichische
Staatssammlung enthält eine dem 16. Jahrhundert nach angehörige Alexanderfolge von
acht Teppichen, die eine Marke führt, die der Meister Leos sehr ähnlich ist; auf dem
Querbalken des H sitzt das V, in der Mitte ein I. Nach der Art der Hausmarken-
entwicklung ist mit ziemlicher Gewißheit anzunehmen, daß wir es mit einer Arbeit
des Jan van den Hecke zu tun haben. Die gleiche Marke trägt ein Behang im Besitze
des Freiherrn von Stumm. Die typische Spätrenaissancebordüre — durch Bandwerk
gefaßte Blumen und Früchte wechseln mit spielenden Putten und allegorischen Figuren —
rahmt den Zug des Volkes Israel durchs rote Meer. Die überragende Gestalt des
Moses reckt gebieterisch den Stab, die Flut schlägt zusammen über den Heerscharen
Pharaos. Manche Figuren erinnern stark an die Heldenserie aus der Manufaktur des
Jakob Geubels (Abb. 83, 84).

Franz van den Hecke wird 1640 Doyen der Wirkerzunft und erhält etwa zwanzig
Jahre später seine Ernennung zum Hoftapissier. Daneben bekleidet der Meister ver-
schiedentlich städtische Ehrenämter. Vergleicht man die aus dem van den Heckeschen
Atelier stammenden Folgen mit den Erzeugnissen anderer, ihm ebenbürtiger Manufak-
turen, so überrascht einerseits die außerordentliche Fülle der noch erhaltenen Arbeiten,
andererseits die Ungleichheit in der Qualität der Ausführung.

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