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Göbel, Heinrich; Göbel, Heinrich [Editor]
Wandteppiche (II. Teil, Band 1): Die romanischen Länder: Die Wandteppiche und ihre Manufakturen in Frankreich, Italien, Spanien und Portugal — Leipzig, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.16360#0429
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Mailand

des französischen Hofes unter die «Glorreichen", die «Feinen", die «Lügner", die «Narren",
die „Fetten", die „Trunkenbolde" usw. einreiht. Es ist mehr als zweifelhaft, ob je
eine Übertragung in Wolle, Seide, Gold erfolgte (4).

Nach Galeazzo Maria Sforza's gewaltsamem Ende (26. XII. 1476) wird sein achtjäh-
riger Sohn Giangaleazzo Maria als rechtmäßiger Nachfolger anerkannt, die Mutter
Buona, dann der Oheim Lodovico Sforza übernehmen die Vormundschaft. Lodovico,
genannt il Moro, reißt die Herrschaft an sich, am 5. September 1494 verleiht Kaiser
Maximilian I. ihm die Herzogswürde, kurze Zeit später verstirbt der eingekerkerte
Neffe. Der Hof des Moro wird zu einem der glanzvollsten des Abendlandes; Künste
und Kunstgewerbe — naturgemäß auch die Bildwirkerei — nehmen einen ungewohnten
Aufschwung. Die Kämpfe mit Frankreich, dessen König Ludwig XH., durch seine
Großmutter Valentine mit den Yisconti verwandt, Erbansprüche mit dem Schwerte
vertritt, bringen eine scharfe Unterbrechung der aufsteigenden Linie, Marschall Tri-
vulzio bemächtigt sich 1499 des Herzogtums. 1505 erteilt Kaiser Maximilian der fran-
zösischen Krone die Belehnung mit Mailand. Erst nachdem 1512 die Heilige Liga das
Herzogtum von den Eindringlingen gesäubert hat, besteigt Moro's Sohn, Maximilian
Sforza, den Thron, drei Jahre später fällt die Herrschaft infolge der Entscheidung von
Marignano (1515) an Franz I. von Frankreich zurück; erst Karl Y. vertreibt die Fran-
zosen 1521 von neuem, Francesco II. tritt das Erbe der Sforza an, nach seinem Tode
— der Herzog stirbt 1535 kinderlos — geht das Lehen an Karls V. Sohn, Philipp II.
von Spanien. Der kurze geschichtliche Exkurs erklärt besser als längere Ausführungen
die eigenartigen Kurven, die die Bildwirkerei zu Ende des 15. und zu Beginn des
16. Säkulums in Mailand nimmt. Bemerkenswert ist ferner die Tatsache, daß die
Werkstätten vielfach zugleich die Wirkerei und die Stickereitechnik pflegten; bei ge-
wissen Arbeiten ist eine klare Trennung mitunter schwierig.

Am 13. Mai 1486 schließt Francesco da Brivio mit Meister „Janes de Verbellis fil. q. m
domini Adriani, fiammingo, abitante in P. Vercellina nella parrocchia del Monastero
Nuovo" einen Lieferungsvertrag auf Fertigung eines „capcellum unum (Betthimmel)
cum suo testali et sua murata laboratis de seta et lana et illus figuris festis, fantaxijs
et laborerijs quibus ordinabitur et apparebit ipsi domino Francischo"; die Ausführung
soll „fortiter et laudabille" sein, als Vertragsunterlage dienen die „Spaliere", die Jan
dem ehrenwerten Gio. Francesco de Bossi geliefert hat. Der Einheitspreis wird mit
1 Rheingulden für die Mailänder Quadrateile vereinbart, als Handgeld zahlt der Auf-
traggeber vier rheinische Gold gülden an. Die Behänge sind umfangreich; der Meister
verpflichtet unter dem 17. Mai zwei Fachgenossen zur Mitarbeit, einen „Giovanni de
Nea fil q. m d. Girardini" und „Raynaldo de Ghestelino fil q. m d. Gianis", beide sind
augenscheinlich Flamen; als Quadratellenvergütung werden 36 Reichssoldi ausgemacht,
die Abrechnung erfolgt wöchentlich. Es handelt sich um ein vollständiges Wirkerei-
zimmer, das sowohl die Wandteppiche als auch das reiche Paradebett umfaßt. Leider
wird das Motto nur allzu oberflächlich angedeutet. Ähnliche Aufträge finden sich häufiger
in der Geschichte der Mailänder Bildwirkerei. Lodovico il Moro leiht 1497 an Kaiser
Maximilian gelegentlich seiner Fahrt nach Genua die reiche Folge der „Hystoria de Troya",
ferner verschiedene Brokate und einen prächtigen Tafelteppich. Die Majestät geht nicht
sehr glimpflich mit dem geliehenen Gut um; der Protonotar Stanga, der in Genua resi-
diert, schreibt seinem herzoglichen Herrn, es sei am zweckmäßigsten, die Stücke, „si
trovano rotte in molti lochi", den genuesischen Wirkern, die recht geschickte Leute
seien, zur Instandsetzung zu übergeben. Lodovico lehnt das Ansinnen ab „perche noi
havemo qui ali nostri servicij maestri de tapezaria". Tatsächlich ist der Wirkerbestand
zu Mailand augenscheinlich ein recht ansehnlicher, nicht nur was die Zahl, sondern
auch die Leistungsfähigkeit betrifft.

1499 verhandelt Kardinal Ascanio Maria Sforza mit Gio. Pietro da Luino; die Arbeiten
des Meisters Benedetto fanden bei der Besprechung des Ateliers von Vigevano Berück-
sichtigung; ein Mailänder Wirker von Bedeutung steht in Urbino im Dienste des Her-
zogs Francesco Maria della Rovere; das Atelier des Francesco degli Anteri, der sich

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