München (1 6.—1 8. Jahrhundert)
Die Gesellen- und Lehrlingsverhältnisse haben insofern eine Änderung erfahren, als
Joseph Georg Winter 1783 abgeht, um sich zum Tiermaler und Kupferstecher auszubilden:
an seine Stelle tritt 1793 der Chedeville zur Ausbildung überwiesene Lehr junge Max Off -
am 16. August 1799 zum Gesellen befördert —; als Lehrschüler Sentignys erscheint seit
November 1795 Alois Zottmayer; Danner scheidet 1784 infolge Liederlichkeit aus.
Die spärlichen Hinweise der Manufakturbelege hinsichtlich der in Arbeit befindlichen
Teppiche sind mehr zufälliger Natur. Ein Bericht vom 26. Mai 1800 erwähnt das Ende 1799
von Chedeville abgelieferte „sehr große Stück des Scipio africanus (die Enthaltsamkeit Sci-
pios), welches durch Richtigkeit der Zeichnung und Schönheit und Harmonie der Farben
sich gewiß ganz besonders auszeichnet und so viel wir wissen, schon im vorigen Jahre in
Höchstdero Residenz aufgestellt worden ist"118). Der Teppich, signiert „Chedeville 1799,
Wink 1781", befindet sich heute im Depot des Münchener Residenzmuseums119).
Zu den Haupterzeugnissen des Sentigny'schen Ateliers zählen die vier Alexandertep-
piche (?) im Bayerischen Nationalmuseum120). Die etwas trockene Bordüre ist identisch mit
der eines Behanges der gleichen Sammlung — Agamemnon übergibt Kassandra einen
Ring (?), mit der Signatur „FAIT A MUN1CH 1781" (Abb. 210). Die Farbengebung ist, bei
zartabgestimmten Nuancen, durchaus wirkungsvoll; die Figurengruppen fügen sich mit-
unter nicht ganz rhythmisch in den Rahmen der Handlung. Es ist nicht klar, ob der Aga-
memnon-Kassandra-Teppich zu der „Geschichte des Achilles" gehört, die in einem Straf-
verfahren aus dem Jahre 1804 eine bedeutsame Rolle spielt, oder ob es sich nicht vielmehr
um ein Teilstück der Scipiofolge handelt, zu der Christian Wink (1780—1784) die Kartons
entwirft: 1. Scipios Großmut (er schenkt den in der Schlacht gefangenen numidischen Prin-
zen die Freiheit), 2. Scipios Enthaltsamkeit (er gibt die gefangene Braut dem Prinzen
Almius zurück), — beide Motive sind in je zwei Bilder aufgeteilt —, 3. Scipio wird ein
Schild überreicht, 4. der Feldherr läßt Indibiles seine gefangene Verlobte mit reichen Ge-
schenken zuführen)121). Chedeville hat seinem Gesellen Max Ista den Eintritt in die Manu-
fakturräume untersagt mit der Begründung, er habe in böswilliger Absicht den Achillestep-
pich, an dem Kiermayr arbeitet, durch Flecken beschädigt: „Deponent (der Wirker Seba-
stian Weger) sah in der Hautelissearbeit drey Theile beschädigt, als erstens am Ulis die
große Zehe. Die Farbe war vorher fleischfarb, nach der Beschädigung ging sie ins gelb-
lichste hinüber, zweitens sah man einen fleck an einem Stein, und drittens eine Beschädi-
gung an der Traperie. Diese Beschädigungen müssen durch äußeres zutun geschehen seyn,
den die wolle kann die Farbe nicht so sehr ändern . . . drittens äußerte sich Ista daß auch
an dem Kopfe des Ulis, welchen Kiermayr verfertigte, sich noch Flecken zeigen werden, daß
aber noch nicht geschehen ist, weil Ista gleich aus der Manufaktur entfernt wurde . . .".
Ähnliche belastende Aussagen macht Kiermayr, der zudem Ista beobachtete, wie er die
Flecken mit Reißkohle überdeckte. Der Verlauf des Prozesses bringt kein klares Ergebnis.
Um den Agamemnonteppich kann es sich schon aus zeitlichen Gründen — 1781 : 1804 —
nicht gehandelt haben; in Betracht kommt lediglich die am 30. November 1802 bei Chede-
ville in Arbeit befindliche „Wiedererkenntnis des Achilles": „Achill unter den Töchtern des
Lycomedes", signiert Chedeville 1818, München, Residenzmuseum, Charlottenzimmer
(Abb. 211), ein Stück der bereits erwähnten, von Christian Wink 1791 angeregten Serie.
Kehren wir zu Sentignys Tätigkeit zurück, so ist ihm ein 1799 begonnenes, 1802 vollende-
tes Blumenstück zuzuschreiben, schließlich als letzte Arbeit das in den Akten mehrfach er-
wähnte „Göttermahl", die Hochzeit der Thetis mit Peleus, nach einem Entwürfe von Chri-
stian Winck (Abb. 212), eine reich bewegte Handlung, die sich, allzu gehäuft, der „pompe-
janischen" zierlichen Bordüre nicht sonderlich glücklich einfügt. Die Fertigstellung des
„Göttermahles" erfolgt unter dem 14. Januar 1802.
Schon zuvor (11. September 1799) war das viel erörterte grundsätzliche Dekret auf
221
Die Gesellen- und Lehrlingsverhältnisse haben insofern eine Änderung erfahren, als
Joseph Georg Winter 1783 abgeht, um sich zum Tiermaler und Kupferstecher auszubilden:
an seine Stelle tritt 1793 der Chedeville zur Ausbildung überwiesene Lehr junge Max Off -
am 16. August 1799 zum Gesellen befördert —; als Lehrschüler Sentignys erscheint seit
November 1795 Alois Zottmayer; Danner scheidet 1784 infolge Liederlichkeit aus.
Die spärlichen Hinweise der Manufakturbelege hinsichtlich der in Arbeit befindlichen
Teppiche sind mehr zufälliger Natur. Ein Bericht vom 26. Mai 1800 erwähnt das Ende 1799
von Chedeville abgelieferte „sehr große Stück des Scipio africanus (die Enthaltsamkeit Sci-
pios), welches durch Richtigkeit der Zeichnung und Schönheit und Harmonie der Farben
sich gewiß ganz besonders auszeichnet und so viel wir wissen, schon im vorigen Jahre in
Höchstdero Residenz aufgestellt worden ist"118). Der Teppich, signiert „Chedeville 1799,
Wink 1781", befindet sich heute im Depot des Münchener Residenzmuseums119).
Zu den Haupterzeugnissen des Sentigny'schen Ateliers zählen die vier Alexandertep-
piche (?) im Bayerischen Nationalmuseum120). Die etwas trockene Bordüre ist identisch mit
der eines Behanges der gleichen Sammlung — Agamemnon übergibt Kassandra einen
Ring (?), mit der Signatur „FAIT A MUN1CH 1781" (Abb. 210). Die Farbengebung ist, bei
zartabgestimmten Nuancen, durchaus wirkungsvoll; die Figurengruppen fügen sich mit-
unter nicht ganz rhythmisch in den Rahmen der Handlung. Es ist nicht klar, ob der Aga-
memnon-Kassandra-Teppich zu der „Geschichte des Achilles" gehört, die in einem Straf-
verfahren aus dem Jahre 1804 eine bedeutsame Rolle spielt, oder ob es sich nicht vielmehr
um ein Teilstück der Scipiofolge handelt, zu der Christian Wink (1780—1784) die Kartons
entwirft: 1. Scipios Großmut (er schenkt den in der Schlacht gefangenen numidischen Prin-
zen die Freiheit), 2. Scipios Enthaltsamkeit (er gibt die gefangene Braut dem Prinzen
Almius zurück), — beide Motive sind in je zwei Bilder aufgeteilt —, 3. Scipio wird ein
Schild überreicht, 4. der Feldherr läßt Indibiles seine gefangene Verlobte mit reichen Ge-
schenken zuführen)121). Chedeville hat seinem Gesellen Max Ista den Eintritt in die Manu-
fakturräume untersagt mit der Begründung, er habe in böswilliger Absicht den Achillestep-
pich, an dem Kiermayr arbeitet, durch Flecken beschädigt: „Deponent (der Wirker Seba-
stian Weger) sah in der Hautelissearbeit drey Theile beschädigt, als erstens am Ulis die
große Zehe. Die Farbe war vorher fleischfarb, nach der Beschädigung ging sie ins gelb-
lichste hinüber, zweitens sah man einen fleck an einem Stein, und drittens eine Beschädi-
gung an der Traperie. Diese Beschädigungen müssen durch äußeres zutun geschehen seyn,
den die wolle kann die Farbe nicht so sehr ändern . . . drittens äußerte sich Ista daß auch
an dem Kopfe des Ulis, welchen Kiermayr verfertigte, sich noch Flecken zeigen werden, daß
aber noch nicht geschehen ist, weil Ista gleich aus der Manufaktur entfernt wurde . . .".
Ähnliche belastende Aussagen macht Kiermayr, der zudem Ista beobachtete, wie er die
Flecken mit Reißkohle überdeckte. Der Verlauf des Prozesses bringt kein klares Ergebnis.
Um den Agamemnonteppich kann es sich schon aus zeitlichen Gründen — 1781 : 1804 —
nicht gehandelt haben; in Betracht kommt lediglich die am 30. November 1802 bei Chede-
ville in Arbeit befindliche „Wiedererkenntnis des Achilles": „Achill unter den Töchtern des
Lycomedes", signiert Chedeville 1818, München, Residenzmuseum, Charlottenzimmer
(Abb. 211), ein Stück der bereits erwähnten, von Christian Wink 1791 angeregten Serie.
Kehren wir zu Sentignys Tätigkeit zurück, so ist ihm ein 1799 begonnenes, 1802 vollende-
tes Blumenstück zuzuschreiben, schließlich als letzte Arbeit das in den Akten mehrfach er-
wähnte „Göttermahl", die Hochzeit der Thetis mit Peleus, nach einem Entwürfe von Chri-
stian Winck (Abb. 212), eine reich bewegte Handlung, die sich, allzu gehäuft, der „pompe-
janischen" zierlichen Bordüre nicht sonderlich glücklich einfügt. Die Fertigstellung des
„Göttermahles" erfolgt unter dem 14. Januar 1802.
Schon zuvor (11. September 1799) war das viel erörterte grundsätzliche Dekret auf
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