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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 1): Die germanischen und slawischen Länder: Deutschland einschließlich Schweiz und Elsass (Mittelalter), Süddeutschland (16. bis 18. Jahrhundert) — Leipzig, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.13167#0244
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Stuttgart (16. Jahrhundert)

tuschen und Schriften erhält. Die 1336 Gulden stellen also nicht ein reines Mehrver-
dienst des Wirkers dar, sondern sind die Vergütung für die von de Carmes gelieferten Kar-
tons der Bordüren sowie der Wappenwirkereien und Verdüren usw. Die Beschallung des
guten und zähen Papiers für die Kartons Meister Orleys ist Sache des Wirkers. Am 29. De-
zember 1569 trifft die letzte Sendung „Papir zu den Patronnen aus Antorff" (Antwerpen)
ein; das „Regal Papier" stellt sich auf 33 Gulden 36 Kreuzer. Wir haben hier schon den rein
rechnerischen Beleg für die Art der Arbeitsteilung der de Carmesschen Manufaktur. Van
Orley entwirft und zeichnet hiernach im großen Maßstabe lediglich die figürlichen Innen-
darstellungen. Im übrigen besitzt de Carmes einen reichen Vorrat von Patronen verschiede-
ner Art für Wirkteppiche von mehr untergeordneter Bedeutung. Die Entwürfe zu den Bor-
düren stammen zweifelsohne von einer anderen Hand als der van Orleys. Die Annahme
findet ihre stilistische Bestätigung durch einen Blick auf „Sauls Tod". Die Bordüre ist
typisch Brüsseler Arbeit in der Formengebung der Zeit um 1550. Jacob de Carmes hat die
Patronen durch einen flämischen Spezialisten und nicht in Deutschland anfertigen lassen.
In den Nebenrechnungen findet sich der Beleg: „Für sein annsprach der Raisen halb In das
Nider Landt nach den Patronen usw. 50 Gulden". Die Wappenschilde des fürstlichen
Paares, die Kartuschen mit den zugehörigen Inschriften sind im Entwürfe von einem Fran-
kenthaler Maler gefertigt worden. Die „quadrirten Schillt an die Camin tuecher würtemberg
vnd Brandenburg" werden „mit 3 Batzen Mahlerlohn" für das Stück, die großen Kartu-
schen mit 17 Kreuzer, die Schrift für dieselben mit je 4 Batzen, die kleinen Wappenschilde
mit 10 Kreuzer und die „11 Schriften", die Jacob de Carmes „zu Franckhthal hat mahlen
lassen, so In den große Saal gehörig; für jeds 2 bz" an den Wirker vergütet. Wir treffen
hier die typische Arbeitsteilung der Brüsseler Manufakturen. Nicht derselbe Künstler ent-
wirft den gesamten Wandteppich. Die Arbeit verteilt sich an eine Reihe von Spezialisten.
Die Hauptbilddarstellung—-soweit sie nicht der Meister bereits in dem früheren Brüsseler Be-
trieb des de Carmes gemalt hatte — liegt in Stuttgart in einer Hand: in der des N icolaus van Orley.

Von besonderer Bedeutung ist die Art des Werkstattbetriebes des Jacob de Carmes und
seines Sohnes Moritz. Ein Blick auf die in so kurzer Zeit ausgeführten Tausende von Qua-
dratellen genügt, um klarzustellen, daß die Wirker mit einer starken Arbeitsgliederung
vorgegangen sein müssen. Die Methode entspricht durchaus dem von altersher geübten
Brauch. De Carmes ist der Generalunternehmer, der seine Aufträge an verschiedene klei-
nere Unternehmer verteilt. Die schwierigsten und verantwortungsvollsten Folgen werden
unter der persönlichen Aufsicht Jacobs in Stuttgart gearbeitet. Die einfacheren Wirkereien,
so die für die Kamine, die zahlreichen Fensterpfeilertapisserien, die verschiedenen Verdü-
ren und sonstige kleinere Stücke entstehen in Frankenthal. In der zweiten Hälfte des Mo-
nats November 1569 reist Meister Jacob nach dem Ort und trifft mit einer viele Zentner
wiegenden Ladung am 1. Dezember in Stuttgart wieder ein. Der Fuhrlohn, den de Carmes
in Rechnung stellt, beläuft sich auf die verhältnismäßig hohe Summe von 9 Gulden 19 Kreu-
zer. Ausführlich ist das „Verzaychnus was Ich Jacob de Karmes von wegen der Fürst-
liche Tapetzerey von Frankenthal herauff gehn Stuttgart geführt". Der Wirker bricht am
21. November 1570 in Stuttgart mit seinem Fuhrknecht auf; es folgen nun die tageweise
genau angegebenen Kosten für „morgensuppen", „malzeyth" und „nachtmal" des Fuhr-
knechtes, „Stallmiit, habern" (Hafer) und dergleichen. De Carmes trifft am 23. abends in
Frankenthal ein, um am nächsten Mittag schon wieder die Rückreise anzutreten. Die Ge-
samtunkosten belaufen sich auf 5 Gulden 38 Kreuzer. Es scheint also, daß diesmal schon
ein Gespann zum Transport der Wirkereien ausreichend war, während nach den Kosten zu
urteilen im Jahr zuvor de Carmes seine Reise mit zwei Gefährten angetreten hat.

Die Arbeiten der de Carmes gingen im großen und ganzen glatt und ohne wesentliche
Störungen vor sich. Kleine Änderungen, wie das nachträgliche Einsetzen der Wappen-

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