Basel
am-Rhyn zu Luzern, in Frage, das die ersten drei Tiere mit Dame, Herr, Dame zur Wieder-
gabe bringt45). Abgesehen von der verschiedenen Farbengebung unterscheidet sich das
Luzerner Stück von dem wesentlich feiner durchgeführten Baseler Exemplar dadurch, daß
der ersten Bestie das dem Hinterkörper aufgelegte Dreiecksmiuster fehlt; die Wirkerin hat
versucht — allerdings mit wenig Glück — den Tierleib durch parallele Farblagen plastisch
zu gestalten. Die Ärmel des Jünglings lassen das feine Kreuzmuster missen; der ganze
Habitus — soweit er sich aus der Photographie erkennen läßt — mutet gewerbsmäßig an.
Das gleiche gilt für die Fortsetzung des Stückes (H. 0,74 m, L. 2,33 m) im Stifte Gries bei
Bozen46), wiederum drei Figuren, ohne das letzte zugehörige Fabeltier, das als Kleinfrag-
ment (H. 0,78 m, L. 0,86 m) in der Sammlung des Schlosses Wildenstein47) (Kanton Basel-
land) verwahrt wird. Der Teppich stammt aus dem Kloster Muri (Kanton Aargau) und
wurde nach Aufhebung (1843) dem Bruderkloster Gries überlassen. Auch hier handelt es
sich um alten Schweizer Besitz, wenngleich der Begriff für Basel nicht ohne weiteres zu-
trifft; die Stadt tritt erst 1501 dem Bunde der Eidgenossen bei.
Als Endergebnis der Untersuchung zeitigt die Tatsache, daß die vorliegenden Tierteppiche
zweifelsohne einer oberrheinischen, an der Schweizer Grenze gelegenen Werkstatt mit alter
Tradition entstammen; für Basel insbesondere spricht die Fülle der urkundlichen Belege,
die Vorliebe für phantastische Tierwirkereien, sowie der nachweisbare Bestand gewerbs-
mäßiger Ateliers in dem fraglichen Zeitabschnitt.
R. F. Burckhardt und nach ihm Betty Kurth gliedern dem besprochenen Tierteppich
zwei Fragmente48) an, das eine auf Schloß Wildenstein, das zweite im Kloster Gries bei
Bozen, an deren unmittelbarer Zugehörigkeit weder technisch noch künstlerisch der ge-
ringste Zweifel bestehen kann. Das Grundmotiv ist, abgesehen von der veränderten Zeich-
nung, dasselbe. Die Fabeltiere tragen, um den Begriff der Laster noch kräftiger zu unter-
streichen, Wildleute als Reiter, die die Ungeheuer mit Blütengeißeln gegen ihre Bändiger,
die Männer und Frauen, antreiben — sofern die Waldmenschen nicht lediglich als füllendes
dekoratives Moment den Patronen eingefügt sind. Der Begriff des Zähmens, richtiger gesagt
des Einfangens, wird allegorisch durch Falken betont, die in dem Wildensteiner Behang
Jüngling und Jungfrau auf der behandschuhten Rechten tragen. Der Karton geht auf den
Zeichner der Tierteppiche zurück; der Jüngling des Wildensteiner Teppichs vermag die
Vetternschaft mit dem dritten Knaben, sein Partner im Gries-Teppich mit dem zweiten
Jüngling des Basler Behanges keinesfalls zu leugnen; die Dame zu Wildenstein und Gries
weicht in ihrer Gewandung nur wenig ab von der ersten Jungfrau von Basel. Die Fragmente
von Wildenstein (H. 0,96 m, L. 2,00 m) und Gries (H. 0,93 m, L. 1,95 m) bildeten ursprüng-
lich ein zusammengehöriges Stück. Die Herkunft ist durch R. F. Burckhardts Forschungen
einwandfrei festgestellt.
Als neues Moment erscheint bei den beiden Behängen die Wiedergabe des Erdreichs,
halbkreisförmige diagonal übereinandergestülpte Hügel, denen jedesmal eine, zumeist drei-
doldige Blume aufgelegt ist, belebt durch winzige Wald- und Fabeltiere. Von Bedeutung ist
der Versuch, die Erdschollen durch strichweise nebeneinander gesetzte Linien schraffen-
mäßig, d. h. niederländisch zu lösen; wahrscheinlich gab der Einfluß eines westlich orien-
tierten oberrheinischen Teppichs die Veranlassung.
Die gleiche Bodenformation, dieselbe Rankenführung, die nämliche Figurenauffassung,
kehrt wieder in einem weiteren Fragment (Abb. 7a, H. 0,77 m, L. 1,08 m) des Klosters Gries
(wiederum aus Muri). Den Jüngling umschlingt ein Spruchband „nu ■ tuo als ■ ich - dir ■
wol • getruw •", die Legende der Jungfrau antwortet „min • hertz • von ■ dir ■ nüt • wichen ■
sol •"; aus dem Gerank des Hintergrundes ragt eine auf den Spruch weisende Hand. Das
Treuegelöbnis ist unschwer verständlich. Vergleichen wir technisch den Liebesteppich zu
Gries mit dem Basler Tierbehang, so läßt sich die gleiche Werkstättentradition feststellen;
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am-Rhyn zu Luzern, in Frage, das die ersten drei Tiere mit Dame, Herr, Dame zur Wieder-
gabe bringt45). Abgesehen von der verschiedenen Farbengebung unterscheidet sich das
Luzerner Stück von dem wesentlich feiner durchgeführten Baseler Exemplar dadurch, daß
der ersten Bestie das dem Hinterkörper aufgelegte Dreiecksmiuster fehlt; die Wirkerin hat
versucht — allerdings mit wenig Glück — den Tierleib durch parallele Farblagen plastisch
zu gestalten. Die Ärmel des Jünglings lassen das feine Kreuzmuster missen; der ganze
Habitus — soweit er sich aus der Photographie erkennen läßt — mutet gewerbsmäßig an.
Das gleiche gilt für die Fortsetzung des Stückes (H. 0,74 m, L. 2,33 m) im Stifte Gries bei
Bozen46), wiederum drei Figuren, ohne das letzte zugehörige Fabeltier, das als Kleinfrag-
ment (H. 0,78 m, L. 0,86 m) in der Sammlung des Schlosses Wildenstein47) (Kanton Basel-
land) verwahrt wird. Der Teppich stammt aus dem Kloster Muri (Kanton Aargau) und
wurde nach Aufhebung (1843) dem Bruderkloster Gries überlassen. Auch hier handelt es
sich um alten Schweizer Besitz, wenngleich der Begriff für Basel nicht ohne weiteres zu-
trifft; die Stadt tritt erst 1501 dem Bunde der Eidgenossen bei.
Als Endergebnis der Untersuchung zeitigt die Tatsache, daß die vorliegenden Tierteppiche
zweifelsohne einer oberrheinischen, an der Schweizer Grenze gelegenen Werkstatt mit alter
Tradition entstammen; für Basel insbesondere spricht die Fülle der urkundlichen Belege,
die Vorliebe für phantastische Tierwirkereien, sowie der nachweisbare Bestand gewerbs-
mäßiger Ateliers in dem fraglichen Zeitabschnitt.
R. F. Burckhardt und nach ihm Betty Kurth gliedern dem besprochenen Tierteppich
zwei Fragmente48) an, das eine auf Schloß Wildenstein, das zweite im Kloster Gries bei
Bozen, an deren unmittelbarer Zugehörigkeit weder technisch noch künstlerisch der ge-
ringste Zweifel bestehen kann. Das Grundmotiv ist, abgesehen von der veränderten Zeich-
nung, dasselbe. Die Fabeltiere tragen, um den Begriff der Laster noch kräftiger zu unter-
streichen, Wildleute als Reiter, die die Ungeheuer mit Blütengeißeln gegen ihre Bändiger,
die Männer und Frauen, antreiben — sofern die Waldmenschen nicht lediglich als füllendes
dekoratives Moment den Patronen eingefügt sind. Der Begriff des Zähmens, richtiger gesagt
des Einfangens, wird allegorisch durch Falken betont, die in dem Wildensteiner Behang
Jüngling und Jungfrau auf der behandschuhten Rechten tragen. Der Karton geht auf den
Zeichner der Tierteppiche zurück; der Jüngling des Wildensteiner Teppichs vermag die
Vetternschaft mit dem dritten Knaben, sein Partner im Gries-Teppich mit dem zweiten
Jüngling des Basler Behanges keinesfalls zu leugnen; die Dame zu Wildenstein und Gries
weicht in ihrer Gewandung nur wenig ab von der ersten Jungfrau von Basel. Die Fragmente
von Wildenstein (H. 0,96 m, L. 2,00 m) und Gries (H. 0,93 m, L. 1,95 m) bildeten ursprüng-
lich ein zusammengehöriges Stück. Die Herkunft ist durch R. F. Burckhardts Forschungen
einwandfrei festgestellt.
Als neues Moment erscheint bei den beiden Behängen die Wiedergabe des Erdreichs,
halbkreisförmige diagonal übereinandergestülpte Hügel, denen jedesmal eine, zumeist drei-
doldige Blume aufgelegt ist, belebt durch winzige Wald- und Fabeltiere. Von Bedeutung ist
der Versuch, die Erdschollen durch strichweise nebeneinander gesetzte Linien schraffen-
mäßig, d. h. niederländisch zu lösen; wahrscheinlich gab der Einfluß eines westlich orien-
tierten oberrheinischen Teppichs die Veranlassung.
Die gleiche Bodenformation, dieselbe Rankenführung, die nämliche Figurenauffassung,
kehrt wieder in einem weiteren Fragment (Abb. 7a, H. 0,77 m, L. 1,08 m) des Klosters Gries
(wiederum aus Muri). Den Jüngling umschlingt ein Spruchband „nu ■ tuo als ■ ich - dir ■
wol • getruw •", die Legende der Jungfrau antwortet „min • hertz • von ■ dir ■ nüt • wichen ■
sol •"; aus dem Gerank des Hintergrundes ragt eine auf den Spruch weisende Hand. Das
Treuegelöbnis ist unschwer verständlich. Vergleichen wir technisch den Liebesteppich zu
Gries mit dem Basler Tierbehang, so läßt sich die gleiche Werkstättentradition feststellen;
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