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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0027
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Löwen, Luchs und Fuchs, Hirsche, Hunde und Eber. Charakteristisch ist einesteils der
starke italienische Einfluß, der sich in den Metamorphosen offenbart, andernteils die
typische Brüsseler Fruchtstab-Hohlkehlen-Bordüre. Vier Behänge tragen als Mittelstück
des oberen Rahmens eine Schrifttafel: DAS ■ X ■ PVECH • OVIDII • Es besteht nicht der
geringste Zweifel, daß es sich um Arbeiten niederländischer, nach Deutschland übergesie-
delter Meister handelt. Die ursprüngliche Brüsseler Technik ist unschwer erkennbar, wenn-
gleich sich eine gewisse Vergröberung bereits bemerkbar macht. Für die Zuweisung der
Serie an Frankenthal spricht fernerhin die Tatsache, daß die bayerischen Herzöge mehr-
fach mit Frankenthaler Wirkern Verkaufs- und Übersiedlungsverhandlungen pflegten. Die
Teppiche dürften um 1580 entstanden sein. Die Folge ist mehrfach kopiert worden, die
Wiederholung eines einzelnen, stark reparierten Stückes, eignet der Münchener Kunst-
handlung L. Bernheimer.

Stilistisch und technisch kommen für Frankenthal zwei weitere Kleinteppiche im Bayeri-
schen Nationalmuseum68) in Betracht, eine Kreuzigung (Abb. 13a) und Auferstehung
(Abb. 13b). Eine goldgewirkte Wiederholung der „Kreuzigung" mit der Jahreszahl 1574
eignet der New-Yorker Kunsthandlung P. W. French & Co. Die Durchbildung ist feiner als
die des Münchener Stückes69). Schließlich dürften Frankenthal die vier Passionsteppiche
(früher in Freising, Einzug in Jerusalem, ölberg, Abendmahl, Kreuztragung) im Münche-
ner Residenzmuseum, mit der den „Metamorphosen" nah verwandten Bordürenlösung zu-
zusprechen sein70). Die Hauptmasse der Frankenthaler Wandteppiche — sie muß bei der
großen Anzahl von Werkstätten enorm gewesen sein — beschränkt sich zweifelsohne auf
die gängigen niedrigen und langen Rücklaken — „Simstucher" in den alten Inventaren
genannt —, die in der Hauptsache Jagdmotive und Episoden aus der griechischen Mytho-
logie bzw. Nachbildungen nach den Ovidschen Metamorphosen zur Darstellung brachten.
Gewiß, es fehlt für die Eingliederung dieser Gruppe der schlüssige Beweis — kein einziges
der mir bekannten Stücke trägt eine Stadt- oder Wirkermarke—; für die Annahme spricht
einmal die Tatsache, daß diese im Handel und in Sammlungen zahlreich vertretenen Tep-
piche sich keiner anderen deutschen, von Niederländern betriebenen umfangreicheren
Manufaktur eingliedern lassen, zum anderen, daß der Abwandlungsprozeß vom west-
lichen Typ — sei es Brüsseler oder Oudenaarder Vorbild — sich gleichermaßen vollzieht,
daß schließlich der ursprüngliche Fundort, soweit er sich überhaupt feststellen läßt, sich
auf die Pfälzer Gegend konzentriert. Zunächst ist die Einfügung in die Frankenthaler Be-
triebe eine Hypothese, wie es mir scheinen will, aber keine unbegründete. Ich wähle aus der
großen Menge einige Beispiele. Die Versteigerung der Sammlung Fritz Cloß (München)
brachte 1929 unter Nr. 199 ein interessantes bordürenloses Stück —- Tod der Eurydike,
nach Ovids Metamorphosen —, aus Wolle und Seide gewirkt, in den Hauptfarben Blau-
grün, Gelb, Braun, Blau und Rot (H. 1,15 m, L. 3.95 m, Abb. 14a). Rechts und links von
der Mittelgruppe, den beiden „antikischen" Frauen, geht unbekümmert in dem Zeitkostüm
um 1590 eine Bärenhatz in Szene. Die Flora des Vordergrundes verwendet Brüsseler Kar-
tonvorlagen um 1550, während sich das Brokatmuster des Obergewandes der von der Nat-
ter gebissenen Eurydike mehr zeitgenössischer Motive bedient. Das Gesamtbild setzt sich
aus vier Kartons zusammen, der Mittelgruppe, dem einzelnen Jäger (rechts), der Bärenhatz
(rechts und links) und der Flora. Die Vorlagen langten nicht aus für den zur Schmückung
bestimmten Raum; der Wirker schiebt ohne organischen Übergang einen Wald- und Wie-
senstreifen (ganz rechts) an.

Handelt es sich hier um den „Tod der Eurydike" aus einem erstklassigen Frankenthaler
Atelier, so schildert eine Version — Berliner Kunsthandel, das Stück mißt in der Höhe
1,10 m, in der Länge 3,65 m — die Szene ungleich schwächer. In der Mitte bricht Eurydike,
von der Natter in die Ferse gebissen, in die Knie, ihre Gefährtinnen tragen Blumenkörbe,

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