Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0087

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Herzogtum Jägerndorf.

1. Jägerndorf.

Dem Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer eignet außer der Wappen-
decke der Brieger Fürstenschule ein kleiner Wandteppich18), der aber in Zeichnung, Tech-
nik und Farbengebung erheblich von der ersterwähnten Wirkerei abweicht (Abb. 52). Ein
feingezeichneter bandumwundener Lorbeerkranz mit aufgelegten farbenfrohen Blumen-
und Fruchtbüscheln faßt das Wappen Georg Friedrichs von Brandenburg aus der fränki-
schen Linie.

Eine kurze genealogische Bemerkung vorweg: Georg Friedrich (geb. 1539, gest. 1603) tritt
1556 die Regierung von Ansbach und Jägerndorf an, er erbt 1557 die Markgrafschaft Bay-
reuth und führt seit 1577, an Stelle seines verblödeten Vetters Albrecht Friedrich, die Regie-
rung des Herzogtums Preußen.

Zu Seiten des Wappenkranzes nimmt das markgräfliche Paar — links Georg Friedrich,
rechts seine Gemahlin Sophie — Aufstellung. Lilien und Rosen prangen vor dunkelblauem
Grund, eine Maiglöckchenstaude sprießt zu Füßen der Fürstin. Der Einfluß der Niederlande
ist deutlich erkennbar, nicht minder klar aber auch die Spur einer eingesessenen fränki-
schen Zeichnerwerkstatt — Wiedergabe der Flora, der Gewänder usw. —; der Teppich zeigt
einen ausgesprochen mitteldeutschen bzw. süddeutschen Einschlag. Der Behang diente in
früheren Zeiten als Antependium in der Nikolaikirche zu Brieg, in die er wahrscheinlich
als Geschenk des markgräflichen Paares gelangte, das freundschaftliche nachbarliche Be-
ziehungen mit Georg II. von Liegnitz-Brieg pflegte. Auffällig erscheint nur, daß die Stadt-
pfarrkirche (St. Nikolai) und nicht die Schloßkirche (St. Hedwig) mit der Gabe bedacht
wurde. Zu dem Textilienschatz der Brieger Herzöge gehörte die Wirkerei jedenfalls nicht.

Ist der Teppich in Jägerndorf oder in Ansbach entstanden, ist der Wirker ein eingewan-
derter Niederländer oder ein Deutscher, der seine Kunst an flämisch-brabantischen Be-
hängen schulte und vervollkommnete? Die Antwort gibt m. E. die genealogische Notiz. 1577
übernimmt Georg Friedrich die Regentschaft des Herzogtums Preußen, des alten Ordens-
landes; unter dem 8. Januar 1585 verpflichtet der Herzog Meister Hans Mülmann aus
seinem fränkischen Hofstaat für Königsberg. Es handelt sich nicht um einen neuan-
genommenen Wirker, sondern um einen altbewährten markgräflichen Diener. Wahrschein-
lich kommt Mülmann auch als Wirker des Brieger Antependiums in Frage. Dem Klange
nach handelt es sich um einen Deutschen, was allerdings nicht allzuviel sagen will, da die
niederländischen Namen häufig in landläufiges Deutsch umgebogen wurden. Der Teppich
ist, den Trachten nach zu urteilen, um 1575 entstanden. Ob in Ansbach, ob in Jägerndorf?
Die Tatsache, daß der Behang der Nikolaikirche zu Brieg seit alten Zeiten eignet, legt im-
merhin die Möglichkeit nahe, daß Hans Mülmann, zum mindesten vorübergehend, in Jä-
gerndorf seine Werkstatt aufgeschlagen hat. Charakteristisch für die Arbeit ist die starke
Verwendung von Seide bei mittelfeiner Textur (6 bis 7 Kettfäden auf einen Zentimeter). Die
noch heute frische Farbengebung schließt sich den Brieger Arbeiten an, Grund und Wirker-
kante: Dunkelblau, oben und an den Seiten gelbroter Streifen. Pflanzen: lichtes Gelbgrün,
weiße und rotbraune Lilien, rechts weiße Rosen. Kostüme: Hellgraugelb, Rot- und Schwarz-

10 Göbel, Wandteppiche III, 2.

73
 
Annotationen