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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0216
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11. Die Manufaktur des Wirkers %.

Handelt es sich um einen Verwandten des Meisters Die Signatur — ein typisches
M und W — läßt unwillkürlich an einen Michel Wauters denken. Ein Zusammenarbeiten
der beiden Wirker fand in der in den Niederlanden üblichen Weise jedoch nicht statt. Es
hat sich bis jetzt noch keine Serie feststellen lassen, die beide Signaturen gemeinsam trägt.

Das Wirkerzeichen findet sich auf einer Folge der „Reitkunst". Als Vorlage dient das
bekannte, 1658 in Antwerpen gedruckte Werk des William Gavendish (Marquis, später
Herzog von Newcastle) mit Abbildungen nach Abraham Diepenbeke: 1. die „gewonnene
Schlacht". Der Marquis sitzt in voller Rüstung, barhäuptig, den Stab in der Hand, auf
einem Fuchs. Sein Leibneger trägt den Helm. In den Lüften schwebt Viktoria mit Kranz
und Palme. Im Hintergrund vollzieht sich das Reitertreffen, 2. König Karl IL auf rotbrau-
nem Roß. Ein Page hält den Helm. Es fehlen nicht die üblichen allegorischen Gestalten:
Pallas Athene mit Lanze, Fama mit Kranz, Genien mit Lorbeerzweigen, Mars besiegt den
Drachen, Merkur mit Waffentrophäen usw., 3. Mazin, der Stallmeister des Marquis, zeigt
sich auf grauem Pferd in den „Groupades par la droite". Im Hintergrund erhebt sich das
Schloß Welbeck. 4. Es folgen die „Courbettes de cöte ä gauche". Das gesattelte, reiterlose
Pferd vollzieht die Übung unter Aufsicht Mazins, der leitend die Peitsche führt. Rechts assi-
stiert ihm der Marquis mit zwei Stöcken. Ein Reitknecht wendet dem Beschauer den Rücken
zu195). 5. Mazin, in halb klassischer Tracht, sprengt auf dunklem Roß nach links: „Terre ä
terre tete contre muraille ä main gauche." Der Behang trägt die Wirkersignatur. 6. „Ca-
prioles, etc, ä droite." Mazin erledigt die Übung, ein Reitknecht führt ein Roß. 7. „Courbet-
tes ä droite" (Mazin mit drei Pferden und einem Reitknecht usw.). 8. „Voltes ä gauche."
Diesmal zeigt sich der Marquis in pseudoklassischer Tracht als Reitkünstler.

Die Folgen verteilen sich nach Angabe von H. C. Mariliier auf die Schlösser Welbeck,
Drumlanrig, Hagley Hall, Naworth, Compton Verney; vereinzelte Behänge erschienen
im Kunsthandel196). Die Bordüren wechseln in den einzelnen Serien: a) Fruchtgehänge,
verbrämt mit Bündeln von Peitschen und Reitutensilien, b) Blumengewinde, die Mittelkar-
tuschen zeigen Sättel, Zaumwerk usw., c) Seitenbordüren mit gewundenen Säulen, d) Waf-
fentrophäen, Vasen mit Blumen, Kartuschen mit Sattel, Zaum und Sporen. Die Technik
weist deutlich auf die flämisch-brabantische Schule. Charakteristisch ist das Fortlassen
schwieriger Einzelheiten; die schematische, mitunter langweilige Behandlung des Bodens
erinnert an die Erzeugnisse Aubussons.

Die zweite signierte Folge ist die Geschichte Mark-Aurels mit sechs Behängen, die nicht
sonderlich glückliche und wenig sorgfältige Kopie einer Brüsseler Folge: 1. Zug des Marcus
Aurelius zum Janustempel, 2. Mark Aurel und Faustina, 3. Krönung, 4. Mark Aurel im
Wortgefecht mit Philosophen, 5. Mark Aurel und sein toter Hund, 6. Germanenschlacht.
Zwei englische Teilserien befinden sich im Kunsthandel. Vorzüglich ist die Durchbildung
der Bordüren: Putten mit Blumengewinden, Papageien, Medaillons usw.
 
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