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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0217

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12. Die Werkstatt des Meisters der Ovidschen Metamorphosen

Die Tätigkeit der bislang unbekannten Manufaktur ist ausgesprochen auf Massenproduk-
tion eingestellt. Die uns überkommenen Behänge übersteigen die Zahl 100. Die klare Tren-
nung von den Erzeugnissen Sohos ist äußerst schwierig. Die Teppiche sind zumeist von
kleinem Umfang, die Motive entsprechen den kleinfigurigen Erzeugnissen von Aubusson,
seltener denen von Oudenaarde. Reiche Bordüren sind ungewöhnlich, die Rahmung be-
schränkt sich zumeist auf den stilisierten, bandumwundenen Lorbeer-(Eichenlaub-) Stab,
auf die Perl- oder Eierstableiste. Zeichnung und technische Durchführung sind gleich dürf-
tig. Die Motive werden, je nach dem Wunsch des Auftraggebers, willkürlich zusammenge-
stellt, fast nie finden sich die Behänge ein und derselben Legende in der gleichen Folge ver-
eint. Als Vorlagen der Kartons dienten Stiche französischer und niederländischer Meister,
vereinfacht bzw. willkürlich ergänzt oder kombiniert. H. G. Mariliier gibt eine ausführliche
Aufstellung der dargestellten Motive, ohne wahrscheinlich das Gesamtgebiet zu erschöpfen:

1. der apulische Hirt (Ovid, 14. Buch, Vers 517 f). Der Hirt, der die tanzenden Nymphen
nachäfft, wird in einen Oleander verwandelt.

2. Apollo und Daphne (Ovid, 1. Buch, Vers 452 f). Der Gott verfolgt die Nymphe. Charak-
teristische Exemplare in der ehemaligen Leverhulme Collection, in den Christie-Auktionen
vom 20. Dezember 1893 und vom 11. Juni 1918. Das unbeholfen gezeichnete Paar läuft vor
einer Waldlichtung, links erhebt sich ein Palast. Der Einfluß Aubussons ist deutlich
erkennbar.

3. Die Verwandlung der Arethusa (Ovid, 5. Buch, Vers 577 f). a) die Nymphe flieht vor
Alpheus, die Göttin deckt ihren nackten Leib mit der Wolke, b) die Flußgöttin erzählt Ceres
ihr Leid. Besonders charakteristisch ist ein Behang im Besitze des Majors Courtauld197).
Am Ufer steht Ceres, mit dem Oberkörper taucht Arethusa aus der Flut. Die malerisch
flächige und weiche Behandlung des Baumschlages und der Bauten erinnert ganz und gar
an Aubusson. Als Bordüre erscheint der umschnürte Lorbeerstab. Als Einzelbehang würde
ich das Stück unbedenklich der französischen Manufaktur überweisen.

4. Kallisto (Ovid, 2. Buch, Vers 409 f). a) Jupiter erspäht die Nymphe Kallisto, b) Jupiter
wirbt, in Dianens Gestalt, um die Holde, c) Kallistos Fall, d) Kallistos Fehltritt wird ent-
deckt, e) die zürnende Hera ergreift die Sündige bei den Haaren, f) Hera fragt Okeanos und
Tethys um Rat, g) Arkas trifft mit dem Pfeil seine, in eine Bärin verwandelte Mutter Kalli-
sto, h) Einzelfigur einer Gefährtin Dianens.

„Kallistos Fall" ist in der Hauptgruppe einem Gemälde Bouchers in Hertford House
— richtiger gesagt wohl dem Gobelinmotiv — entlehnt. Ein Exemplar der Episode g in
Bougthon House trägt die Signatur M • W *, die übrigens auch auf einem Meleagerbehang
erscheint und kaum als englische, vielmehr als flämische Arbeit anzusprechen ist. Der Hera-
und-Tethys-Behang der Spanish Art Gallery198) zeigt gegenüber dem Arethusa-Teppich
einen wesentlich detaillierteren Aubusson-Typ (Abb. 161a).

5. Kephalus und Prokris (Ovid, 7. Buch, Vers 795 f). a) Kephalus mit seinem Hund neben
dem Palast, b) Kephalus trifft aus Versehen Prokris mit dem Wurfspeer, c) der Gatte hält
die Sterbende in den Armen. Die Motive zu a und c finden sich in einem Behänge vereinigt in
einem umfangreichen Wandteppich in Stone House. Bemerkenswert ist die typisch englische
Bordüre: oben Blumengewinde an Kragsteinen, seitlich die Gestalt eines Türken, Papageien,

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