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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0184

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C. Das 17. und 18. Jahrhundert.

I. Mortlake.

König Jakob I., der Gründer der englischen Manufaktur Mortlake, geht — wie vor ihm
Richard Hyckes — von dem gleichen wirtschaftlich-politischen Gedanken aus, der auch den
Herrn Frankreichs, Heinrich IV., bestimmt, Frans van den Planken und Marc de Comans
nach Paris zu berufen; beide Fürsten versprechen sich eine starke Hebung des heimischen
Kunstgewerbes unter Ausschaltung der unrentablen und kostspieligen ausländischen Ein-
fuhr. Der Wandteppich zählt im 17. Jahrhundert zu den unentbehrlichen Einrichtungs-
gegenständen fürstlichen Haushaltes; riesige Summen fließen den österreichischen Erblan-
den zu, die mit eifersüchtiger Strenge darüber wachen, daß kein Wirker der Heimat den
Rücken kehrt, der Quelle des Wohlstandes auch nur geringste Schmälerung bereitet. Mit
den größten Schwierigkeiten gelingt es den Herrschern, auf friedlichem Wege brauchbare
Wirker zu gewinnen; in vielen Fällen ist Flucht das einzige Mittel, das dem Tapissier den
Weg zu der vermeintlich glänzenderen Laufbahn im fremden Lande eröffnet.

Jakob I. geht bei der Gründung des von ihm geplanten Unternehmens durchaus logisch
und vorsichtig vor. Er ernennt eine Kommission von Groß Würdenträgern — ob sachverstän-
dige Wirker zu Rate gezogen wurden, entzieht sich meiner Kenntnis — und übergibt ihr als
Verhandlungsunterlage den Vertrag der van den Planken und Comans68). Die Kommission
übernimmt im großen und ganzen die Bedingungen der Pariser Vorlage; sie weicht jedoch
insofern ab, als sie vorschlägt, das Unternehmen nicht auf eine ausschließlich kommerzielle
Basis zu stellen, sondern die Manufaktur halb offiziell aufzuziehen. Der leitende Wirker ist
nicht allein verantwortlich für das Wohl und Wehe der neuen Gründung, er untersteht einem
Baronet, der als der eigentliche Träger der Aktion gilt— auch finanziell — und das könig-
liche Protektorat genießt. Die Idee, die von vornherein größere staatliche Opfer und Zu-
schüsse zu unterbinden scheint, ist durchaus verlockend; in der Auswirkung zeigt sie sich
nicht sonderlich glücklich. Die Tatkraft der van den Planken und Comans, die über reiches
technisches, zugleich kaufmännisches Können verfügen, kann naturgemäß nicht durch die
Initiative eines noch so kunstsinnigen Baronets ersetzt werden, der letzten Endes, zum min-
desten in dem ersten Jahrzehnt, immer von dem guten Willen seiner Wirker abhängig
bleibt. Im übrigen beschränkt sich Mortlake nicht lediglich auf das schnell und billig arbei-
tende flämisch-brabantische Basselisse-Verfahren, sondern erstrebt auch die Pflege der kost-
spieligeren hochlitzigen Technik. Die Verhandlungen führen zu dem Ergebnis, daß Sir
Francis Crane 1619 die Gründung und Leitung der neuen Manufaktur übernimmt. Sämt-
liche Ausgaben fallen ihm zur Last, er hat für die nötigen Werk- und Wohnräume zu sor-
gen; seine Angelegenheit ist es, die Wirker zu berufen, ihnen die Rohmaterialien — Wolle,
Seide, Silber, Gold — zu liefern, die nicht unbeträchtlichen Löhne zu zahlen. Als Gegen-
leistung sichert ihm der König die Sportein aus der Ernennung von vier Baronets zu — ein
ansehnlicher Betrag —, er gewährt weiterhin mit gewissen Einschränkungen ein Privileg
auf die Dauer von 20 Jahren. Schließlich genießt Sir Francis Crane für die Erzeugnisse
seiner Manufaktur Steuerfreiheit auf eine Anzahl von Jahren. Um die Einwanderung nie-
derländischer oder französischer Meister zu erleichtern, ist nach dem Pariser Beispiel die

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