E. Mitteldeutschland.
I. Kurhessen.
1. Kassel. Rotenburg.
a) Rochius de Klerigk. Franz Steinbach.
Die Bildteppichwirkereien der Landgrafen von Hessen fanden bereits eine eingehende
Bearbeitung in dem Aufsatze von Drachs1). Das von Drach nicht verwertete, unter dem
19. Juni 1567 aufgestellte Inventar2) nennt uns den alten fürstlichen Teppichbestand. Die
Arbeiten des, laut Revers vom 6. Januar 1566 als „Teppichmacher" angenommenen Ouden-
aarder Wirkers Franz Steinbach treten erst in dem Inventar vom Jahre 1573 in Erschei-
nung. Leider bringt die Vermögensauf Stellung von 1567 keinerlei Hinweis auf den Ent-
stehungsort der einzelnen Stücke, ein Mangel, der um so bedauerlicher ist, als zweifelsohne
ein, wenn auch nur kleiner Teil der Behänge auf den 1543 erwähnten Bildwirker Rochius
de Klerigk zurückgeht. Der Name ist verstümmelt; aller Wahrscheinlichkeit nach handelt
es sich um ein Mitglied der bekannten Brüsseler Bildwirkerfamilie der de Clerck. Meister
Rochus bezieht ein Jahresgehalt von zehn Gulden, er erhält das übliche Hofkleid und acht
Viertel Korn. Für Neuarbeiten kommt für „je zwo elen" (Ellen) ein Gulden in Ansatz. Die
Anlieferung des „Garns", d. h. des Kettfadens und des Wolleinschlages, ist Sache des fürst-
lichen Bestellers. Die letztere Angabe ist insofern von Bedeutung, als die golddurchwirkten
Behänge des Inventars von 1567 somit ausscheiden. Auf Rochus gehen zurück: Pauli Be-
kehrung mit der Jahreszahl 1544 — 3V4 Ellen hoch und lang —, Abraham und Isaak, mit
dem gleichen Datum und in denselben Abmessungen, der Ahnenteppich, das Jagdstück mit
den hessischen und sächsischen Wappen, ein rein heraldischer Behang (Hessen und Sach-
sen) mit dem Wahlspruch „So gott vor vns ist, wehr mag wiedder vns sein" und ein klei-
ner Behang „mitt Laubwerg, darin ein Jarzaal : 1544". Ferner sind der Jonasteppich und
die drei Behänge „daran der Thiergartt" Klerigk zuzuschreiben. Erhalten geblieben sind
von den im Inventar (1567) erwähnten Wirkereien lediglich: 1. die Ruhe der Heiligen
Familie auf der Flucht (Nr. 4), eine goldgewirkte Brüsseler Arbeit um 1530 (H. 73,5 cm,
L. 91,5 cm, ohne Bordüre, Kassel, Schloß Löwenburg); 2. Maria mit dem Jesuskind „umb-
hero mit rosen" (in der Bordüre), ein kleiner, außerordentlich fein durchgeführter Brüsse-
ler Behang um 1515—1520 (H. 91 cm, L. 67 cm, Seide und Gold, Kassel, Residenzpalais,
Nr. 5 des Inventars von 1567); 3. Christus und Magdalena (H. 91,5 cm, L. 116,5 cm, Kassel,
Schloß Löwenburg, in der gleichen Rahmung, wie das vorige Stück, Brüssel um 1515 bis
15203), schließlich 4. der Jonasteppich (Nr. 9 des Inventars). Der Behang (Abb. 28a) hat die
untere und die beiden seitlichen Bordüren verloren, er mißt heute in der Höhe 1,21 m
(ursprünglich 21!2 Ellen, d. h. rund 1,73 m) in der Länge 1,82 m (ursprünglich 4V4 Ellen,
etwa 2,95 m). Metallfäden sind nicht verwandt. Die Technik zeigt flämische Schulung, das
Können verrät den Kleinmeister. Als Vorbild diente wahrscheinlich ein Kupferstich oder
Holzschnitt. Manche Einzelheiten erinnern an die Arbeiten des sächsischen Hohenmuel-
Bombeck-Kreises. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Meister Rochus zuvor in Torgau oder
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I. Kurhessen.
1. Kassel. Rotenburg.
a) Rochius de Klerigk. Franz Steinbach.
Die Bildteppichwirkereien der Landgrafen von Hessen fanden bereits eine eingehende
Bearbeitung in dem Aufsatze von Drachs1). Das von Drach nicht verwertete, unter dem
19. Juni 1567 aufgestellte Inventar2) nennt uns den alten fürstlichen Teppichbestand. Die
Arbeiten des, laut Revers vom 6. Januar 1566 als „Teppichmacher" angenommenen Ouden-
aarder Wirkers Franz Steinbach treten erst in dem Inventar vom Jahre 1573 in Erschei-
nung. Leider bringt die Vermögensauf Stellung von 1567 keinerlei Hinweis auf den Ent-
stehungsort der einzelnen Stücke, ein Mangel, der um so bedauerlicher ist, als zweifelsohne
ein, wenn auch nur kleiner Teil der Behänge auf den 1543 erwähnten Bildwirker Rochius
de Klerigk zurückgeht. Der Name ist verstümmelt; aller Wahrscheinlichkeit nach handelt
es sich um ein Mitglied der bekannten Brüsseler Bildwirkerfamilie der de Clerck. Meister
Rochus bezieht ein Jahresgehalt von zehn Gulden, er erhält das übliche Hofkleid und acht
Viertel Korn. Für Neuarbeiten kommt für „je zwo elen" (Ellen) ein Gulden in Ansatz. Die
Anlieferung des „Garns", d. h. des Kettfadens und des Wolleinschlages, ist Sache des fürst-
lichen Bestellers. Die letztere Angabe ist insofern von Bedeutung, als die golddurchwirkten
Behänge des Inventars von 1567 somit ausscheiden. Auf Rochus gehen zurück: Pauli Be-
kehrung mit der Jahreszahl 1544 — 3V4 Ellen hoch und lang —, Abraham und Isaak, mit
dem gleichen Datum und in denselben Abmessungen, der Ahnenteppich, das Jagdstück mit
den hessischen und sächsischen Wappen, ein rein heraldischer Behang (Hessen und Sach-
sen) mit dem Wahlspruch „So gott vor vns ist, wehr mag wiedder vns sein" und ein klei-
ner Behang „mitt Laubwerg, darin ein Jarzaal : 1544". Ferner sind der Jonasteppich und
die drei Behänge „daran der Thiergartt" Klerigk zuzuschreiben. Erhalten geblieben sind
von den im Inventar (1567) erwähnten Wirkereien lediglich: 1. die Ruhe der Heiligen
Familie auf der Flucht (Nr. 4), eine goldgewirkte Brüsseler Arbeit um 1530 (H. 73,5 cm,
L. 91,5 cm, ohne Bordüre, Kassel, Schloß Löwenburg); 2. Maria mit dem Jesuskind „umb-
hero mit rosen" (in der Bordüre), ein kleiner, außerordentlich fein durchgeführter Brüsse-
ler Behang um 1515—1520 (H. 91 cm, L. 67 cm, Seide und Gold, Kassel, Residenzpalais,
Nr. 5 des Inventars von 1567); 3. Christus und Magdalena (H. 91,5 cm, L. 116,5 cm, Kassel,
Schloß Löwenburg, in der gleichen Rahmung, wie das vorige Stück, Brüssel um 1515 bis
15203), schließlich 4. der Jonasteppich (Nr. 9 des Inventars). Der Behang (Abb. 28a) hat die
untere und die beiden seitlichen Bordüren verloren, er mißt heute in der Höhe 1,21 m
(ursprünglich 21!2 Ellen, d. h. rund 1,73 m) in der Länge 1,82 m (ursprünglich 4V4 Ellen,
etwa 2,95 m). Metallfäden sind nicht verwandt. Die Technik zeigt flämische Schulung, das
Können verrät den Kleinmeister. Als Vorbild diente wahrscheinlich ein Kupferstich oder
Holzschnitt. Manche Einzelheiten erinnern an die Arbeiten des sächsischen Hohenmuel-
Bombeck-Kreises. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Meister Rochus zuvor in Torgau oder
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