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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0234

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IL 16. und 17. Jahrhundert.

1. Wirkereien in Nachahmung niederländischer oder

norddeutscher Arbeiten.

Die Arbeiten des 16. und 17. Jahrhunderts lassen sich in drei große Gruppen zerlegen,
einesteils in Wirkereien, die lediglich Kopien niederländischer und niederdeutscher13) Arbei-
ten darstellen, zum zweiten inBehänge, die in ihrenEntwürfenauf heimischeiZeichner zurück-
gehen; die dritte Gruppe verkörpert einen Mischstil, der in der Innen (Bild) darstellung natio-
nal konzipiert, die Bordürenlösung dagegen flämisch-brabantischen bzw. Wismarer Behän-
gen entlehnt14). Zu der ersten Serie gehört u. a. die Anbetung der Heiligen Drei Könige
(H. 58 cm, L. 51 cm, Wolle und Leinen, leinene Kette, vorwiegend blaue, grüne, braungelbe
Töne, Verzahnungstechnik) im Kunstindustriemuseum zu Oslo, die stark vergröberte Kopie
eines Wismarer Kissenblattes aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts15), ferner der um
1580 entstandene Helenateppich (H. 2,36 m, L. 1,74 m, Wolle, Leinenkette, Verzahnungs-
technik), gleichfalls im Osloer Kunstgewerbemuseum16, Abb. 176 a); die Gegenüberstel-
lung eines dem Ausgang des 16. Jahrhunderts entstammenden Oudenaarder Teppichs
— (Raub der Sabinerinnen, Abb. 385, Teil I der „Wandteppiche") — spricht besser als län-
gere Ausführungen. Die Farbengebung ist kräftig und frisch, der niederländische Farben-
zirkel zeigt sich noch klar und unverhüllt — Blau löst sich in Weiß, Rot in Gelb usw. —;
die Schraffentechnik, dem Baldisholteppich noch vollkommen fremd, wird, allerdings recht
grob und ungeschickt nachgeahmt; die senkrechten Sehr äffen sind zum Teil aufgegeben
und den Formen entsprechend umgebogen. Besonders charakteristisch zeigt Abb. 176 b
(Loth und seine Töchter, H. 2,56 m, L. 1,70 m, Wolle, Leinen, Metallfäden, Menschenhaar
für den Bart, leinene Rette, signiert ,,D M 1575 2C") die Verwandtschaft mit Wismarer
Arbeiten. Der Teppich stammt aus Heddal, Telemark. Aus dem gleichen Orte kommt eine
weitere Loth-Darstellung (H. 2,27 m, L. 2,15 m, signiert „S JCMEMD 1579"), die einen
Wismarer Behang unmittelbar kopiert (oben die große, unten die durch den Pilasterbogen
abgegrenzte kleine Szene; die Bordüre verbrämt Figuren und Maskarons mit Ranken
usw.16 ). Die Signaturen deuten den Besitzer, nicht den Wirker an. Die Loth-Behänge
gehen auf verschiedene Meister zurück.

Bereits stark verwildert gibt sich ein Behang im Wiener Kunsthandel — „Verklärung
Christi", Wolle, Seide und spärliche Silberfäden, H. 2,33 m, L. 1,86 m, datiert 1571,
signiert EH —, der aber immerhin das Wismarer Vorbild (figürliches Mittelmedaillon,
Blumendekor in den Zwickeln, schwere Frucht-Blumen-Hohlkehlen-Bordüre mit Band-
schleifen) noch erkennen läßt. Die Durchbildung mutet ganz und gar bäuerlich an. Es
ist sehr die Frage, ob Norwegen oder nicht eher Südschweden als Entstehungsland in
Frage kommt17). Die Beispiele lassen sich unschwer erheblich vermehren (Opferung Isaaks
der ehemaligen Sammlung Rosenfeld-Goldschmidt [Amsterdam], 9. bis 12. Mai 1916, Nr. 31.
Nr. 32 im Mischstil [Lot (?) und seine Töchter], datiert 1603 usw.).

2. Ausgesprochen nordische Erzeugnisse.

Die zweite Gruppe, deren Blütezeit vornehmlich in das 17. Jahrhundert zu verlegen ist,
findet einen typischen Vertreter in dem 1613 datierten „Gastmahl des Herodes" im Kunst-

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