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Göbel, Heinrich
Wandteppiche (III. Teil, Band 2): Die germanischen und slawischen Länder: West-, Mittel-, Ost- und Norddeutschland, England, Irland, Schweden,Norwegen, Dänemark, Russland, Polen, Litauen — Leipzig, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.13168#0166

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England

A. Die Frühzeit bis zum Beginn des
16. Jahrhunderts.

Die Belege, soweit das Mittelalter in Frage kommt, sind äußerst lückenhaft, in der Un-
sicherheit der technischen Ausdrücke nur mit größter Vorsicht verwendbar. Es besteht
sachlich kaum ein Zweifel, daß herumziehende flämische Meister, ähnlich wie in Italien,
auch in England kurzlebige Werkstätten unterhielten. Unter der Regierung Heinrichs III.
(1216—1272) findet der „Tapiser" (Tapinator) William, Sohn des John of Walingforde,
Erwähnung1); eine Urkunde vom 11. Juni 1274 spricht von Ralph le Tapiter, der noch
1282 in London ansässig ist; ein vom 4. Oktober 1285 datierter Beleg nennt Walter le Ta-
pener, 1294 arbeitet in gleichem Bezirk (Winchester) Sewald le Tapenyr usw.2). In London
bestand im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts eine Zunft der „Tapicers", die 1331 eigene
Statuten erhält. Ob es sich wirklich um Tapissiers, d. h. um Wandteppichwirker handelte?
Die Vorschrift eines bestimmten Größenmaßes (4 Ellen Länge, lV2 Ellen Breite) der zu
fertigenden Erzeugnisse spricht gegen die Eigenart des Wirkereibetriebes und gibt zu be-
rechtigten Zweifeln Anlaß. Die Londoner Tapicers arbeiteten 1344 unter besonderer Gilde-
aufsicht; als Prüfer (warden) werden Gilles de Kellesey, Richard atte Dyck, Robert Pade-
grys und John Bullock genannt. Es fällt auf, daß es sich um Engländer, nicht um ein-
gewanderte Flamen handelt. Nicht anders liegen die Verhältnisse bei den von Thomson er-
wähnten Amtsnachfolgern, den William atte Lathe, John Kelshulle, John Kelseye, John
Suthereye usw. Die Gildeordnung ist ausdrücklich „pro hominibus de misterä tapiceriae,
in civite London" erlassen, die aufsichtführenden Personen werden als „tapicerii" bezeich-
net. Als Material wird lediglich gute englische oder spanische Wolle zugelassen (1370). Als
1374 ein Mitglied der Zunft, Katharina Dutchewoman, mit Wolle übersponnenes Leinen-
garn verwendet, erfolgt kategorische Strafe. Ein derartiger Fälschungsversuch steht einzig
in der Geschichte der Bildwirkerei da. Sollten die „Telarii of woollen cloths and fer tape-
stry" nicht eher Spezial-Wollenweber (nicht Wirker) gewesen sein, die auf dem gewöhn-
lichen Webstuhl Wandbehänge mit schematisch wiederkehrenden Mustern erzeugten? Dem
widerspricht nicht die Nachlaßbestimmung des Earl of Arundel aus dem Jahre 1392, die
von dem „grand sale" spricht „qu'estoit d'arreynment fait a Loundres del overaigne
de tapeterye blew, ove roses rouges en ycell, et mes armes et les armes de mes fitz". Auch
die Einzelberichte bringen keine endgültige Klärung. 1310 verficht in London John le
Tapicer in der Fleet Street einen Rechtsstreit, es ist die Rede von vier neuen „bankers" (Rück-
laken); sein gleichnamiger Fachgenosse und dessen Schwester Elena la Tapetere, machen
sich als Friedensstörer unliebsam bemerkbar; 1309/10 finden wir Michel le Tapicer, ge-
nannt „Pikarde". Der letzterwähnte Meister stammt wahrscheinlich aus der Picardie, aus
einer Provinz Frankreichs, die in ihren Hauptorten — Amiens, Calais, Boulogne — wohl
Webereibetriebe, aber keine nennenswerten Wirkereimanufakturen besaß. Für frühe eng-
lische Wirkereiateliers, die sicher vereinzelt, wahrscheinlich aber nicht in einer machtvollen

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