20 / Zeutſchlands Kunſtſchähe.
werde Du willſt es: jenes Mädchen ſoll herangeſchafft werden; möglicherweiſe ſehr gegen
ihren Willen. Und nun kann ich nicht länger der edlen Geſellſchaft fern bleiben! Faſſe Dich,
begleite mich!“
„Ja, ja, Heiliger Vater“, ſagte Rafael, irr um ſich blickend. „Aber ich muß zur Villa Frangi-
— SAa
„Geh, geh, Rafael ... Soll ich den Cardinal Pamfili bitten, Dich zu begleiten, Dich zu tröſten?“
„Einen Cardinal? O, wohl! Damit der eine Menſchenräuber den andern entſchuldigt!“
ſagte Rafael verzweifelnd.
„Gott ſtärke Dich, Rafael! Baue Du auf mich, Deinen Freund und Vater!“ ſagte der Papſt
ſehr betreten und kehrte in den Saal zurück, während Rafael, von Romano und Polidoro geleitet,
die Treppe hinabwankte.
Die Fornarina war verſchwunden und lange Tage vergingen, ohne daß Rafael und vielleicht
ſechzig ſeiner Schüler eine Spur aufzufinden vermochten, wo ſich das Mädchen verbarg. Rafael
ward im Vatican, wohin er jeden Tag zu kommen pflegte, nicht mehr geſehen.
Es war am frühen Morgen, als Rafael im Vorzimmer Leo's erſchien und den Papſt zu
ſprechen verlangte. Leo kam ſeinem Liebling bereits an der großen Einlaßthür entgegen und breitete
ihm die Hände entgegen.
„Da biſt Du, Rafael! Du biſt wohl ſehr grauſam, mein Sohn!“ ſagte Leo tief gerührt, denn
Rafael war bleich, ſein Haar hing verwirrt um das Haupt und ſein Anzug war in Unordnung.
„Sie iſt dorthin gegangen, wo die Glorien der Seligen blitzen“, antwortete Rafael mit einer
unheimlichen Ruhe. „Dorthin, wo ſie thronen wird in Ewigkeit — meine Madonna! Zurück-
gewandt iſt der Blick in's Innere mir — wie habe ich ſo blind ſein können, daß ſie es war, die
ich ſuchte, die ich nicht fand, obwohl ſie an meiner Seite war? Heiliger Vater, ſiehe ſie und
vermagſt Du zu ermeſſen, was ich verlor, ſo ſegne Deinen unglücklichen Sohn, der die Himmliſche
nur deshalb erblickte, um zu ſterben! Es iſt der Tag Sancti Sixti, der Heilige und die Sancta
Romano und einige Malerjünglinge brachten ein verhülltes Bild, in ehrfurchtsvollem
Schweigen daſſelbe aufſtellend und die Leinwandblende entfernend.
Die ſixtiniſche Madonna, die verklärten Züge der Fornarina tragend, mit dem himmliſchen
Sixtus und der heiligen Barbara.
verſank, die Fingerſpitzen bis zur Stirn emporhebend, in tiefe Andacht.
Am Abend kam der Capo del Populo in den Vatican Ismeducci bemühte ſich vergebens,
dem Franciscaner ſeinen Entſchluß auszureden, mit dem Papſt zu ſprechen.
Petrajo drang darauf und ward von Leo X. mit großer Herzlichkeit empfangen.
„Ich will Abſolution, Papa!“ rief der kriegeriſche Mönch. „Und giebſt Du ſie nicht, ſo werde
mein Schickſal in Deiner Gegenwart wie das Schickſal des Juda Iſcharioths. Ich habe Unrecht
gethan, Heiliger Vater, daß ich unſchuldiges Blut verrathen habe. Heute Abend noch ſoll der
Maler Roms wiſſen, wo ſich die Geliebte ſeiner Seele verbirgt . . .“
werde Du willſt es: jenes Mädchen ſoll herangeſchafft werden; möglicherweiſe ſehr gegen
ihren Willen. Und nun kann ich nicht länger der edlen Geſellſchaft fern bleiben! Faſſe Dich,
begleite mich!“
„Ja, ja, Heiliger Vater“, ſagte Rafael, irr um ſich blickend. „Aber ich muß zur Villa Frangi-
— SAa
„Geh, geh, Rafael ... Soll ich den Cardinal Pamfili bitten, Dich zu begleiten, Dich zu tröſten?“
„Einen Cardinal? O, wohl! Damit der eine Menſchenräuber den andern entſchuldigt!“
ſagte Rafael verzweifelnd.
„Gott ſtärke Dich, Rafael! Baue Du auf mich, Deinen Freund und Vater!“ ſagte der Papſt
ſehr betreten und kehrte in den Saal zurück, während Rafael, von Romano und Polidoro geleitet,
die Treppe hinabwankte.
Die Fornarina war verſchwunden und lange Tage vergingen, ohne daß Rafael und vielleicht
ſechzig ſeiner Schüler eine Spur aufzufinden vermochten, wo ſich das Mädchen verbarg. Rafael
ward im Vatican, wohin er jeden Tag zu kommen pflegte, nicht mehr geſehen.
Es war am frühen Morgen, als Rafael im Vorzimmer Leo's erſchien und den Papſt zu
ſprechen verlangte. Leo kam ſeinem Liebling bereits an der großen Einlaßthür entgegen und breitete
ihm die Hände entgegen.
„Da biſt Du, Rafael! Du biſt wohl ſehr grauſam, mein Sohn!“ ſagte Leo tief gerührt, denn
Rafael war bleich, ſein Haar hing verwirrt um das Haupt und ſein Anzug war in Unordnung.
„Sie iſt dorthin gegangen, wo die Glorien der Seligen blitzen“, antwortete Rafael mit einer
unheimlichen Ruhe. „Dorthin, wo ſie thronen wird in Ewigkeit — meine Madonna! Zurück-
gewandt iſt der Blick in's Innere mir — wie habe ich ſo blind ſein können, daß ſie es war, die
ich ſuchte, die ich nicht fand, obwohl ſie an meiner Seite war? Heiliger Vater, ſiehe ſie und
vermagſt Du zu ermeſſen, was ich verlor, ſo ſegne Deinen unglücklichen Sohn, der die Himmliſche
nur deshalb erblickte, um zu ſterben! Es iſt der Tag Sancti Sixti, der Heilige und die Sancta
Romano und einige Malerjünglinge brachten ein verhülltes Bild, in ehrfurchtsvollem
Schweigen daſſelbe aufſtellend und die Leinwandblende entfernend.
Die ſixtiniſche Madonna, die verklärten Züge der Fornarina tragend, mit dem himmliſchen
Sixtus und der heiligen Barbara.
verſank, die Fingerſpitzen bis zur Stirn emporhebend, in tiefe Andacht.
Am Abend kam der Capo del Populo in den Vatican Ismeducci bemühte ſich vergebens,
dem Franciscaner ſeinen Entſchluß auszureden, mit dem Papſt zu ſprechen.
Petrajo drang darauf und ward von Leo X. mit großer Herzlichkeit empfangen.
„Ich will Abſolution, Papa!“ rief der kriegeriſche Mönch. „Und giebſt Du ſie nicht, ſo werde
mein Schickſal in Deiner Gegenwart wie das Schickſal des Juda Iſcharioths. Ich habe Unrecht
gethan, Heiliger Vater, daß ich unſchuldiges Blut verrathen habe. Heute Abend noch ſoll der
Maler Roms wiſſen, wo ſich die Geliebte ſeiner Seele verbirgt . . .“