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Deutſchlands Knnſtſchätze. 21
„Die Fornarina?“ rief der Papſt. „Eile, eile, mein guter Petrajo, und errette den Rafael
vom Tode oder vom Wahnſinn . . .“ -
Tief in der Nacht kam die Fornarina mit der alten Beppa wieder in der Villa Frangipani
Das war die erſte Trennung Rafael's von ſeiner Geliebten ... Als die Liebenden zum
zweiten Male getrennt wurden, da lag der Künſtler im Tode erſtarrt da, ſein letztes Bild, die
„Transfiguration“, als leuchtendes Zeichen der Ehre, zu ſeinen Häupten!
Der Chemiker.
Von David Tenniers.
Auf der „Warmoen Straat“, alte Seite zu Amſterdam, ſtand eine eigenthümliche Wohnung.
Sie wich etwas von der breiten Straße zurück; der Raum, der dadurch in der Reihe der barock
gebauten Paläſte reicher Kaufleute entſtand, war mit Linden bepflanzt, welche durch Geländerwerk
und durch eine kunſtreiche Schere oben zu eigenthümlichen, geometriſchen Figuren gezogen waren. —
Das Haus ſelbſt war niedrig, aber prächtig und mit Marmor verziert. Jedes Fenſter zeigte einen
Spitzbogen mit Genienköpfen; an den Seiten waren Niſchen mit Miniaturſtatuen von damals aus-
gezeichneter Arbeit, und in den Fenſtern, unter den Fenſterböſchungen ſah man Hautreliefs aus der
bibliſchen Geſchichte von anderen ſeltſamen Sculpturen eingeſchloſſen. Die letzteren Bildnerwerke
waren indoperſiſche, oder antik ägyptiſche: ſie ſtellten das Leben Zoroaſters und des uralten per-
ſiſchen Mithras, des ſchaffenden Mittelgottes, den Sonnendienſt und die myſtiſchen Lehren der
Magier dar. ;
Dies Haus hieß die „Wohnung des Weiſen“ bei dem Volke. Die Gebildeten nannten daſſelbe
mit einem damals ebenfalls noch von geheimnißvollen Vorſtellungen begleiteten Namen: „Apotheke“
Hier wohnte einer der berühmteſten Chemiker Amſterdams. Er hieß Erasmus de Pottere
oder Erasmus Potterus. Er verſchmähte es, an den Hof des Burgunders, oder nach Spanien als
Arzt, das heißt, als ein im Beſitze wunderbarer Künſte befindlicher Arzt, zu gehen, und ſich für
myſtiſche Täuſchungen, wie er ſie leicht hätte ermöglichen können, Rang, Geld und Berühmtheit zu
erringen. Potterus war wirklich ein Gelehrter, und aus ſeinem geräuſchloſen Wirken, aus den
ſtillen Arbeiten ſeiner einſamen Nächte erwuchs der Wiſſenſchaft manche wichtige Entdeckung. Nie-
mand war der Myſtik, welche ſich in jenen Zeiten der Arznei- und Apothekerkunſt bemächtigt hatte
und die bis in die trübſten Regionen der Alchymie ſich verlor, fremder, als eben Potterus.
Und dennoch war Erasmus Potterus wirklich und wahr im Beſitze von Arcanen und von
Künſten, welche diejenigen, ſo die Hofaſtrologen und Alchymiſten lügenhaft von ſich rühmten, weit
überſtiegen.
Daß Potterus Gold machen könne, ſtand in Amſterdam ſo feſt, daß, als die Girobank in
Amſterdam wegen bedeutender Kriegsvorſchüſſe an die Generalſtaaten in augenblicklicher Verlegen-
heit war, eine Deputation insgeheim an den Chemiker geſandt wurde, um ihn zu bewegen, eine
Deutſchlands Knnſtſchätze. 21
„Die Fornarina?“ rief der Papſt. „Eile, eile, mein guter Petrajo, und errette den Rafael
vom Tode oder vom Wahnſinn . . .“ -
Tief in der Nacht kam die Fornarina mit der alten Beppa wieder in der Villa Frangipani
Das war die erſte Trennung Rafael's von ſeiner Geliebten ... Als die Liebenden zum
zweiten Male getrennt wurden, da lag der Künſtler im Tode erſtarrt da, ſein letztes Bild, die
„Transfiguration“, als leuchtendes Zeichen der Ehre, zu ſeinen Häupten!
Der Chemiker.
Von David Tenniers.
Auf der „Warmoen Straat“, alte Seite zu Amſterdam, ſtand eine eigenthümliche Wohnung.
Sie wich etwas von der breiten Straße zurück; der Raum, der dadurch in der Reihe der barock
gebauten Paläſte reicher Kaufleute entſtand, war mit Linden bepflanzt, welche durch Geländerwerk
und durch eine kunſtreiche Schere oben zu eigenthümlichen, geometriſchen Figuren gezogen waren. —
Das Haus ſelbſt war niedrig, aber prächtig und mit Marmor verziert. Jedes Fenſter zeigte einen
Spitzbogen mit Genienköpfen; an den Seiten waren Niſchen mit Miniaturſtatuen von damals aus-
gezeichneter Arbeit, und in den Fenſtern, unter den Fenſterböſchungen ſah man Hautreliefs aus der
bibliſchen Geſchichte von anderen ſeltſamen Sculpturen eingeſchloſſen. Die letzteren Bildnerwerke
waren indoperſiſche, oder antik ägyptiſche: ſie ſtellten das Leben Zoroaſters und des uralten per-
ſiſchen Mithras, des ſchaffenden Mittelgottes, den Sonnendienſt und die myſtiſchen Lehren der
Magier dar. ;
Dies Haus hieß die „Wohnung des Weiſen“ bei dem Volke. Die Gebildeten nannten daſſelbe
mit einem damals ebenfalls noch von geheimnißvollen Vorſtellungen begleiteten Namen: „Apotheke“
Hier wohnte einer der berühmteſten Chemiker Amſterdams. Er hieß Erasmus de Pottere
oder Erasmus Potterus. Er verſchmähte es, an den Hof des Burgunders, oder nach Spanien als
Arzt, das heißt, als ein im Beſitze wunderbarer Künſte befindlicher Arzt, zu gehen, und ſich für
myſtiſche Täuſchungen, wie er ſie leicht hätte ermöglichen können, Rang, Geld und Berühmtheit zu
erringen. Potterus war wirklich ein Gelehrter, und aus ſeinem geräuſchloſen Wirken, aus den
ſtillen Arbeiten ſeiner einſamen Nächte erwuchs der Wiſſenſchaft manche wichtige Entdeckung. Nie-
mand war der Myſtik, welche ſich in jenen Zeiten der Arznei- und Apothekerkunſt bemächtigt hatte
und die bis in die trübſten Regionen der Alchymie ſich verlor, fremder, als eben Potterus.
Und dennoch war Erasmus Potterus wirklich und wahr im Beſitze von Arcanen und von
Künſten, welche diejenigen, ſo die Hofaſtrologen und Alchymiſten lügenhaft von ſich rühmten, weit
überſtiegen.
Daß Potterus Gold machen könne, ſtand in Amſterdam ſo feſt, daß, als die Girobank in
Amſterdam wegen bedeutender Kriegsvorſchüſſe an die Generalſtaaten in augenblicklicher Verlegen-
heit war, eine Deputation insgeheim an den Chemiker geſandt wurde, um ihn zu bewegen, eine