Palma il Vechio,
Was man über Jacopo Palma an biographiſchen Notizen beſitzt, iſt unſicher und ſpärlich.
Er war geboren zu Serinalto im Gebiet von Bergamo, wahrſcheinlich um 1480, kam frühzeitig
nach Venedig, wo er ſeine Lehrzeit durchmachte und hernach bis zu ſeinem Ende thätig war, das
nach den Notizen, die noch am eheſten einigen Anhalt zu bieten ſcheinen, gegen 1548 erfolgt iſt. Il
Veechio, „der Alte“, wird er zum Unterſchied von Jacopo Palma il Giovine, „dem Jüngeren“,
genannt, ſeinem Neffen, deſſen Wirkſamkeit der zweiten Hälfte des ſechzehnten Jahrhunderts und
bereits der Verfallsperiode venetianiſcher Malerei angehört.
Palma's Ausbildung gehört der Schule des Giopanni Bellini an, aber der Meiſter, der etwas
früher aus derſelben Schule hervorgegangen war und von ihr aus den Schritt zu einer neuen
maleriſchen Auffaſſung gethan, Giorgione, reißt auch Palma mit auf ſeine Bahn. In den Augen
der Nachwelt mußte er oft gegen ſein großes Vorbild zurückſtehen, viele ſeiner Hauptwerke trugen
oder tragen in den Galerien den Namen Giorgione, ſo ſein eigenes lebensvolles Bildniß im Pelz
in der Münchener Pinakothek, ſo die herrlichen Geſtalten des Adam und der Eva in der Braun-
ſchweiger Galerie, ſo der phantaſtiſche Seeſturm in der Akademie zu Venedig, obwohl dieſe drei
Gemälde ſchon im ſechzehnten Jahrhundert als Arbeiten Palma's beſchrieben worden ſind; endlich
auch das idylliſche Concert in der Landſchaft, im Louvre. Vaſari meint von Palma, er ſei nicht
ungewöhnlich geweſen, rühmt aber ſeinen Fleiß in der Ausführung, ſeine Gediegenheit, ſein duftiges
Colorit. Offenbar trifft dieſe Einſchränkung des Lobes das Richtige; als ein Genius erſten Ranges
ſteht Palma in der Kunſtgeſchichte nicht da, wohl aber erſcheint er neben Giorgione als ein reiches
Talent, das in ſeiner Weiſe ſtrebt, die Herkſchaft auf dem Gebiete, welches der Genius neu erobert
hat, feſtzuhalten und nach einer beſtimmten Seite hin auszudehnen. Seine Köpfe ſind edel, aber
etwas einförmiger im Charakter, ſeine Farbe iſt nicht ganz ſo glühend, aber klar und von heiterem,
goldigem Lichtglanz übergoſſen, Giorgione's ernſte Großartigkeit iſt bei ihm gemildert und gemäßigt,
ein Zug des Heitern, Liebenswürdigen tritt an die Stelle. Auch ſein Element ſind ſchlichte,
ruhige Exiſtenzbilder, deren Grundton meiſt ein idylliſcher iſt. So verſetzt er das liegende ſchöne
Weib, das als Venus gelten ſoll, ſo Gruppen der Madonna mit ruhenden Heiligen in eine duftige,
ſommerliche Landſchaft. Nirgend aber ſchlägt er ſolche Töne poetiſcher an als in den Bildnißge-
ſtalten oder Gruppen ſchöner Venetianerinnen, namentlich im Bilde ſeiner drei Töchter in der
Dresdener Galerie; welche Pracht und Ueppigkeit der Erſcheinung, welch' ein träumeriſcher Reiz,
wohl mit einem Zuge der Sinnlichkeit, die aber doch wieder in der Nobleſſe des Weſens feſte
Schranken findet. Und wer Palma's heilige Barbara, auf dem Mittelfelde ſeines Altars zu
Santa Maria Formoſa in Venedig geſehen, der weiß, daß er auch fähig iſt, in die Sphäre des
Großartigen emporzuſteigen, wie es dies Bild voll ſiegreicher Schönheit zeigt. A. W.
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Was man über Jacopo Palma an biographiſchen Notizen beſitzt, iſt unſicher und ſpärlich.
Er war geboren zu Serinalto im Gebiet von Bergamo, wahrſcheinlich um 1480, kam frühzeitig
nach Venedig, wo er ſeine Lehrzeit durchmachte und hernach bis zu ſeinem Ende thätig war, das
nach den Notizen, die noch am eheſten einigen Anhalt zu bieten ſcheinen, gegen 1548 erfolgt iſt. Il
Veechio, „der Alte“, wird er zum Unterſchied von Jacopo Palma il Giovine, „dem Jüngeren“,
genannt, ſeinem Neffen, deſſen Wirkſamkeit der zweiten Hälfte des ſechzehnten Jahrhunderts und
bereits der Verfallsperiode venetianiſcher Malerei angehört.
Palma's Ausbildung gehört der Schule des Giopanni Bellini an, aber der Meiſter, der etwas
früher aus derſelben Schule hervorgegangen war und von ihr aus den Schritt zu einer neuen
maleriſchen Auffaſſung gethan, Giorgione, reißt auch Palma mit auf ſeine Bahn. In den Augen
der Nachwelt mußte er oft gegen ſein großes Vorbild zurückſtehen, viele ſeiner Hauptwerke trugen
oder tragen in den Galerien den Namen Giorgione, ſo ſein eigenes lebensvolles Bildniß im Pelz
in der Münchener Pinakothek, ſo die herrlichen Geſtalten des Adam und der Eva in der Braun-
ſchweiger Galerie, ſo der phantaſtiſche Seeſturm in der Akademie zu Venedig, obwohl dieſe drei
Gemälde ſchon im ſechzehnten Jahrhundert als Arbeiten Palma's beſchrieben worden ſind; endlich
auch das idylliſche Concert in der Landſchaft, im Louvre. Vaſari meint von Palma, er ſei nicht
ungewöhnlich geweſen, rühmt aber ſeinen Fleiß in der Ausführung, ſeine Gediegenheit, ſein duftiges
Colorit. Offenbar trifft dieſe Einſchränkung des Lobes das Richtige; als ein Genius erſten Ranges
ſteht Palma in der Kunſtgeſchichte nicht da, wohl aber erſcheint er neben Giorgione als ein reiches
Talent, das in ſeiner Weiſe ſtrebt, die Herkſchaft auf dem Gebiete, welches der Genius neu erobert
hat, feſtzuhalten und nach einer beſtimmten Seite hin auszudehnen. Seine Köpfe ſind edel, aber
etwas einförmiger im Charakter, ſeine Farbe iſt nicht ganz ſo glühend, aber klar und von heiterem,
goldigem Lichtglanz übergoſſen, Giorgione's ernſte Großartigkeit iſt bei ihm gemildert und gemäßigt,
ein Zug des Heitern, Liebenswürdigen tritt an die Stelle. Auch ſein Element ſind ſchlichte,
ruhige Exiſtenzbilder, deren Grundton meiſt ein idylliſcher iſt. So verſetzt er das liegende ſchöne
Weib, das als Venus gelten ſoll, ſo Gruppen der Madonna mit ruhenden Heiligen in eine duftige,
ſommerliche Landſchaft. Nirgend aber ſchlägt er ſolche Töne poetiſcher an als in den Bildnißge-
ſtalten oder Gruppen ſchöner Venetianerinnen, namentlich im Bilde ſeiner drei Töchter in der
Dresdener Galerie; welche Pracht und Ueppigkeit der Erſcheinung, welch' ein träumeriſcher Reiz,
wohl mit einem Zuge der Sinnlichkeit, die aber doch wieder in der Nobleſſe des Weſens feſte
Schranken findet. Und wer Palma's heilige Barbara, auf dem Mittelfelde ſeines Altars zu
Santa Maria Formoſa in Venedig geſehen, der weiß, daß er auch fähig iſt, in die Sphäre des
Großartigen emporzuſteigen, wie es dies Bild voll ſiegreicher Schönheit zeigt. A. W.
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