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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0222
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Gluctz.

Bon J. S. Dupleſſts.

Die winterliche Sonne ſcheint blendendweiß in ein kleines, mit zwei ſchmalen Fenſtern ver-
ſehenes Ankleidezimmer. Der mächtige Stellſpiegel iſt ſo gerichtet, daß Derjenige, welcher ſich in
demſelben ſehen will, den Fenſtern den Rücken zuwenden muß. Im Spiegel zeigt ſich ein großer
Theil der herrlichen Ausſicht, welche die Fenſter darbieten: es iſt ein Theil der Chauſſée d'Antin,
dem Hauptquartier der feinen Geſellſchaft und auf die ſchneebedeckten, kahlen Höhen des Mont
martre, mit ſeiner alten Umgürtung von Forſt und Wieſen — ein Terrain, welches der Häuſer-
Ocean von Paris bei ſeinem unaufhörlichen Weiterfluthen längſt mit Quadern, Backſteinen und
Aſphalt bedeckt hat.

An neuen Büchern und Muſikalien, an ſehr elegant gefältelten Briefchen, war auf dem chine-
ſiſchen achteckigen Tiſchchen vor der Ottomanne kein Mangel. An den Wänden hingen, neben eini-
gen großen, in Oel gearbeiteten prunkenden Bildniſſen von Damen und Cavalieren Maſſen von
„modiſchen“ Silhouettes- und vortrefflicher Medaillonbildniſſe, letztere faſt alle in ſehr koſtbarer
Faſſung.

Wo ſich irgend Platz im Zimmer überflüſſig bemerklich gemacht hatte, da ſtanden blühende
Roſenſträuche, Veilchen und Myrthen. Eine Dienerin, ſchön wie die Iris, und ſchnippiſch anzu-
ſchauen wie eine Theaterſoubrette, ſchien förmlich eingeübt zu ſein, über dieſe zarten Kinder der
Flora wegzuhüpfen.

Deſto ſchwieriger aber ſchien dies einem ſehr ſchlicht gekleideten Manne zu werden, welcher
langſam, den dreieckigen Hut auf dem Knopfe ſeines ſpaniſchen Rohres tragend, ins Zimmer trat
und wie ein Recrut von ſeinem Corporal durch die Iris die kurzen Weiſungen empfing, wie er ſich
drehen und wenden müſſe, um nicht etwa die Rieſenroſe „Marie Thereſia“, oder eine ſonſtige, in
eine Blume verwandelte Gräfin zu zertreten oder über den Haufen zu werfen.

Der Gaſt war von derber Geſtalt, mit unſchönem von Pockennarben ſtark gezeichnetem
Geſicht. Er beſaß indeß ein ſehr lebhaftes Weſen, ſchöne feurige Augen und konnte ſehr anmuthig
lächeln. Auf Eleganz ſchien er nicht beſonders zu halten. Er trug eine unmodiſche Perrücke mit
einer Locke hinten rund um den Nacken, wie ein Huiſſier oder ein Küſter; einen dunkelgrünen Frack
ohne alle Stickerei, ſchwarze Sammetbeinkleider und engliſche Stulpenſtiefeln.

„Wird Madewoiſelle bald ſichtbar ſein?“ fragte der Mann erwartungsvoll
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