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Rembrandt Harmensz(oon) van Kijn
oder van Ryn.
Es hat Jemand Rembrandt den größten Lügner unter den Malern genannt. Er hat Recht. Nur
hätte er nicht unterlaſſen dürfen hinzuzuſetzen, daß dieſer größte Lügner zugleich der originellſte,
der poetiſcheſte und der maleriſcheſte von allen Malern geweſen; die undefinirbarſte und doch zwin-
gendſte von allen Erſcheinungen in der Geſchichte der Malerei; ein Künſtler, den man mit keinem
andern vergleichen kann, und der mit Jedem zuſammengehalten nur noch glänzender in ſeiner eigen-
thümlichen Art hervortritt.
Rembrandt iſt in ganz eminentem Sinne der Hauptmeiſter und Repräſentant der holländiſchen
Kunſt. Alle die politiſchen, ſocialen und kunſtgeſchichtlichen Momente, welche bei ſeinem Auftreten
zuſammentreffen, treiben in ihm ihre reifſte, eigenthümlichſte Frucht. Alle Lebenselemente des neu
erſtandenen Holland finden in ihm eine Vereinigung, im Vergleich mit der die gleichwohl gewaltig
umfaſſende Aufnahme und Reproduction der italiäniſchen Lebens-und Kunſtrichtungen in Raphael faſt
nur eine äußerliche genannt werden kann. In Rembrandt ſind „die Elemente nicht von dem Complex zu
trennen“, nicht einzelne Einflüſſe in gewiſſen abgeſchloſſenen Perioden ſichtlich herrſchend und beſtim-
mend, ſondern er nimmt ſie wie der Organismus todte Nahrungsmittel in ſich auf, verwandelt ſie
ganz in ſeine organiſche lebendige Subſtanz, macht etwas ungeahnt Neues aus ihnen, worin der
Forſcher zwar den verarbeiteten Urſtoff wiedererkennt, ohne damit aber den geheimnißvollen Proceß
Neugeſchaffenen überhoben zu ſein. Ganz auf's Innigſte mit den großen Erſcheinungen ſeiner Zeit
alg dem Boden ſeines Schaffens verwachſen, hat er etwas Unvergleichliches, noch nie Dageweſenes
hingeſtellt, welches außer ihm faſt ohne die Spur einer Analogie daſteht.
Rembrandt's Geburt fällt nahezu zuſammen mit dem Zeitpunkt, an welchem durch einen vor-
läufigen Waffenſtillſtand der gigantiſche und heroiſche Kampf der vereinigten Provinzen zur Be-
gründung und Vertheidigung der niederländiſchen Freiheit in ſtaatlicher und religiöſer Beziehung
ſeine Endſchaft erreichte (1609), nachdem er vierzig Jahre lang der Nation die unerhörteſten An-
ſtrengungen und Opfer auferlegt, aber auch alle edelſten Kräfte, eine überraſchende Fülle glän-
zender und ehrenfeſter Charaktere in den Vordergrund der Ereigniſſe geſtellt hatte. Der begei-
ſterte Aufſchwung der ſich ſelbſt wiederfindenden Volksgemeinſchaft ließ unter dem neu gewähr-
leiſteten Schutze einer beſonnenen, einer wahrhaft ſittlichen Freiheit nach einem uralten Geſetz der
Culturentwickelung die ſchönſten Blüthen des geiſtigen Lebens hervortreiben und kam der um
Rembrandt ſich ſchaarenden Künſtlergeneration, die ſich zuerſt aller Regungen des neu gewonnenen
Zuſtandes ungeſtört erfreuen durfte, trefflich zu ſtatten. Im Vollgefühl nationaler Größe, in
ſelbſtbewußtem Stolze, in begründetem Hochſinne wurde ſie gehoben und getragen von den mäch-
tigen Wogen der allgemeinen Stimmung. Auf dieſer breiten und ſicheren Grundlage entfaltete
ſich ihre Kunſt, und ſie verdankte ihr auch ihre beſondere Färbung und Geſtaltung.
Rembrandt Harmensz(oon) van Kijn
oder van Ryn.
Es hat Jemand Rembrandt den größten Lügner unter den Malern genannt. Er hat Recht. Nur
hätte er nicht unterlaſſen dürfen hinzuzuſetzen, daß dieſer größte Lügner zugleich der originellſte,
der poetiſcheſte und der maleriſcheſte von allen Malern geweſen; die undefinirbarſte und doch zwin-
gendſte von allen Erſcheinungen in der Geſchichte der Malerei; ein Künſtler, den man mit keinem
andern vergleichen kann, und der mit Jedem zuſammengehalten nur noch glänzender in ſeiner eigen-
thümlichen Art hervortritt.
Rembrandt iſt in ganz eminentem Sinne der Hauptmeiſter und Repräſentant der holländiſchen
Kunſt. Alle die politiſchen, ſocialen und kunſtgeſchichtlichen Momente, welche bei ſeinem Auftreten
zuſammentreffen, treiben in ihm ihre reifſte, eigenthümlichſte Frucht. Alle Lebenselemente des neu
erſtandenen Holland finden in ihm eine Vereinigung, im Vergleich mit der die gleichwohl gewaltig
umfaſſende Aufnahme und Reproduction der italiäniſchen Lebens-und Kunſtrichtungen in Raphael faſt
nur eine äußerliche genannt werden kann. In Rembrandt ſind „die Elemente nicht von dem Complex zu
trennen“, nicht einzelne Einflüſſe in gewiſſen abgeſchloſſenen Perioden ſichtlich herrſchend und beſtim-
mend, ſondern er nimmt ſie wie der Organismus todte Nahrungsmittel in ſich auf, verwandelt ſie
ganz in ſeine organiſche lebendige Subſtanz, macht etwas ungeahnt Neues aus ihnen, worin der
Forſcher zwar den verarbeiteten Urſtoff wiedererkennt, ohne damit aber den geheimnißvollen Proceß
Neugeſchaffenen überhoben zu ſein. Ganz auf's Innigſte mit den großen Erſcheinungen ſeiner Zeit
alg dem Boden ſeines Schaffens verwachſen, hat er etwas Unvergleichliches, noch nie Dageweſenes
hingeſtellt, welches außer ihm faſt ohne die Spur einer Analogie daſteht.
Rembrandt's Geburt fällt nahezu zuſammen mit dem Zeitpunkt, an welchem durch einen vor-
läufigen Waffenſtillſtand der gigantiſche und heroiſche Kampf der vereinigten Provinzen zur Be-
gründung und Vertheidigung der niederländiſchen Freiheit in ſtaatlicher und religiöſer Beziehung
ſeine Endſchaft erreichte (1609), nachdem er vierzig Jahre lang der Nation die unerhörteſten An-
ſtrengungen und Opfer auferlegt, aber auch alle edelſten Kräfte, eine überraſchende Fülle glän-
zender und ehrenfeſter Charaktere in den Vordergrund der Ereigniſſe geſtellt hatte. Der begei-
ſterte Aufſchwung der ſich ſelbſt wiederfindenden Volksgemeinſchaft ließ unter dem neu gewähr-
leiſteten Schutze einer beſonnenen, einer wahrhaft ſittlichen Freiheit nach einem uralten Geſetz der
Culturentwickelung die ſchönſten Blüthen des geiſtigen Lebens hervortreiben und kam der um
Rembrandt ſich ſchaarenden Künſtlergeneration, die ſich zuerſt aller Regungen des neu gewonnenen
Zuſtandes ungeſtört erfreuen durfte, trefflich zu ſtatten. Im Vollgefühl nationaler Größe, in
ſelbſtbewußtem Stolze, in begründetem Hochſinne wurde ſie gehoben und getragen von den mäch-
tigen Wogen der allgemeinen Stimmung. Auf dieſer breiten und ſicheren Grundlage entfaltete
ſich ihre Kunſt, und ſie verdankte ihr auch ihre beſondere Färbung und Geſtaltung.