Fraus Hals.
Keine nationale Künſtlergemeinſchaft — dem eben auszuſprechenden Urtheil widerſtrebt es, den
Ausdruck „Malerſchule“ zu gebrauchen — hat ſo viele ganz originelle Meiſter in ihrer Mitte auf-
zuweiſen, wie die der holländiſchen Maler des ſiebzehnten Jahrhunderts. Selbſt in ihrer Be-
ſchränkung — wie z. B. dem Vorherrſchen der Specialitäten und zwar in merkwürdiger Abſonde-
rung — tritt dies hervor, und faſt bei jedem der vielen bedeutenden Meiſter iſt man in der größten
Verlegenheit, ſeine Eigenart aus den künſtleriſchen und allgemeinen Einflüſſen, denen er ausgeſetzt
geweſen, und von denen er auch ſichtbare Spuren an ſich und ſeiner Kunſt trägt, einigermaßen
befriedigend zu erklären, geſchweige denn Analogien mit anderen Künſtlern nachzuweiſen.
Einer der Originellſten der Originellen iſt nun Frans Hals, ein Künſtler, der, wie ſchon ſo
viele der bedeutendſten Geiſter vor und nach ihm und vermuthlich noch in alle Ewigkeit, von ſeiner
Zeit gar nicht ſonderlich gewürdigt worden iſt, ja deſſen Werke bis in die fünfziger Jahre hinein
auf Auctionen für geringfügige Summen feil ſtanden, bis ſie durch einen plötzlichen Umſchwung in
der Werthſchätzung in Folge der ſorgfältigen und fruchtbaren Studien im Gebiete der holländiſchen
Kunſt- und Künſtlergeſchichte fabelhaft im Preiſe ſtiegen und jetzt, wie wohl von nun an für alle
Zeiten, zu den geſuchteſten und theuerſten Stücken des älteren Bildervorrathes gehören, und die
erſten Zierden aller koſtbaren Gemäldeſammlungen ausmachen, in die ſie eintreten.
Wie Gerard Honthorſt die — ziemlich mechaniſche und wenig fruchtbringende — Vermitte-
lung mit der italiäniſchen Kunſt der Nachblüthe darſtellt, ſo bildet Frans Hals die Brücke von der
etwas älteren belgiſchen Schule zu der holländiſchen Malerei hinüber. In Belgien von hollän-
diſchen Aeltern geboren, gehört er mit ſeiner Kunſt voll und ganz dem Lande ſeiner Väter an.
Ueber ſeine Lebensumſtände müſſen wir uns bis jetzt beſcheiden ziemlich mangelhaft unter-
richtet zu ſein, wiewohl die unermüdlichen Forſchungen der holländiſchen Gelehrten bereits manche
wichtige Daten über ihn, meiſt aus den entlegenſten Quellen, zu Tage gefördert haben.
Sein Vater Pieter Hals von Haerlem bekleidete 1574 und 75 das Amt eines Schöffen und
war Waiſenhausvorſteher (Weesmeeſter), woraus hervorgeht, daß er aus guter Familie und ein
angeſehener Mann geweſen ſein muß, zumal er jene Aemter vermuthlich nicht eben in ſehr vorge-
rücktem Lebensalter inne hatte. Denn er verheirathete ſich erſt im Jahre 1579. Gleichzeitig
damit aber verließ er auch die Vaterſtadt, warum iſt unbekannt, und ſiedelte ſich mit ſeiner Frau
Lijsbet Coper in den ſüdlichen Provinzen an. Hier nun, wahrſcheinlich in Antwerpen, nicht in
Mecheln (Malines), wurde Frans Hals (15842) geboren. Er erhielt ſeinen erſten Unterricht in
der Kunſt von Karel van Mander (geb. 1548, geſt. 1606), dem berühmten Biographen der
zeitgenöſſiſchen Künſtler, der jener italiäniſirenden Richtung der Malerei vor dem Auftreten des
Adam van Noort und des Rubens huldigte. Sonſt ſind wir über Hals' Jugendſchickſale nicht
berichtet. Jedenfalls hat er ſich nicht mit der Lehre und dem Beiſpiel van Mander's begnügt, ſon-
dern ſeine Kunſtart beweiſt, daß er von der neuen Art zu malen, die im Atelier van Noort's aufkam,
von dem gediegenen Naturſtudium, der gewaltigen Färbung und der breiten Pinſelführung auf's
Gründlichſte profitirt hat, wie früh er ſich auch nach Holland zurückbegab. Denn ſchon 1611 finden
wir ihn als ſelbſtändigen Maler in Haerlem verheirathet und als Vater eines Sohnes wieder.
Frans Hals iſt von den neueren Kunſtforſchern mit derſelben Lebhaftigkeit gegen die Beſchul-
Deutſchlands Kunftſchätze. 10
Keine nationale Künſtlergemeinſchaft — dem eben auszuſprechenden Urtheil widerſtrebt es, den
Ausdruck „Malerſchule“ zu gebrauchen — hat ſo viele ganz originelle Meiſter in ihrer Mitte auf-
zuweiſen, wie die der holländiſchen Maler des ſiebzehnten Jahrhunderts. Selbſt in ihrer Be-
ſchränkung — wie z. B. dem Vorherrſchen der Specialitäten und zwar in merkwürdiger Abſonde-
rung — tritt dies hervor, und faſt bei jedem der vielen bedeutenden Meiſter iſt man in der größten
Verlegenheit, ſeine Eigenart aus den künſtleriſchen und allgemeinen Einflüſſen, denen er ausgeſetzt
geweſen, und von denen er auch ſichtbare Spuren an ſich und ſeiner Kunſt trägt, einigermaßen
befriedigend zu erklären, geſchweige denn Analogien mit anderen Künſtlern nachzuweiſen.
Einer der Originellſten der Originellen iſt nun Frans Hals, ein Künſtler, der, wie ſchon ſo
viele der bedeutendſten Geiſter vor und nach ihm und vermuthlich noch in alle Ewigkeit, von ſeiner
Zeit gar nicht ſonderlich gewürdigt worden iſt, ja deſſen Werke bis in die fünfziger Jahre hinein
auf Auctionen für geringfügige Summen feil ſtanden, bis ſie durch einen plötzlichen Umſchwung in
der Werthſchätzung in Folge der ſorgfältigen und fruchtbaren Studien im Gebiete der holländiſchen
Kunſt- und Künſtlergeſchichte fabelhaft im Preiſe ſtiegen und jetzt, wie wohl von nun an für alle
Zeiten, zu den geſuchteſten und theuerſten Stücken des älteren Bildervorrathes gehören, und die
erſten Zierden aller koſtbaren Gemäldeſammlungen ausmachen, in die ſie eintreten.
Wie Gerard Honthorſt die — ziemlich mechaniſche und wenig fruchtbringende — Vermitte-
lung mit der italiäniſchen Kunſt der Nachblüthe darſtellt, ſo bildet Frans Hals die Brücke von der
etwas älteren belgiſchen Schule zu der holländiſchen Malerei hinüber. In Belgien von hollän-
diſchen Aeltern geboren, gehört er mit ſeiner Kunſt voll und ganz dem Lande ſeiner Väter an.
Ueber ſeine Lebensumſtände müſſen wir uns bis jetzt beſcheiden ziemlich mangelhaft unter-
richtet zu ſein, wiewohl die unermüdlichen Forſchungen der holländiſchen Gelehrten bereits manche
wichtige Daten über ihn, meiſt aus den entlegenſten Quellen, zu Tage gefördert haben.
Sein Vater Pieter Hals von Haerlem bekleidete 1574 und 75 das Amt eines Schöffen und
war Waiſenhausvorſteher (Weesmeeſter), woraus hervorgeht, daß er aus guter Familie und ein
angeſehener Mann geweſen ſein muß, zumal er jene Aemter vermuthlich nicht eben in ſehr vorge-
rücktem Lebensalter inne hatte. Denn er verheirathete ſich erſt im Jahre 1579. Gleichzeitig
damit aber verließ er auch die Vaterſtadt, warum iſt unbekannt, und ſiedelte ſich mit ſeiner Frau
Lijsbet Coper in den ſüdlichen Provinzen an. Hier nun, wahrſcheinlich in Antwerpen, nicht in
Mecheln (Malines), wurde Frans Hals (15842) geboren. Er erhielt ſeinen erſten Unterricht in
der Kunſt von Karel van Mander (geb. 1548, geſt. 1606), dem berühmten Biographen der
zeitgenöſſiſchen Künſtler, der jener italiäniſirenden Richtung der Malerei vor dem Auftreten des
Adam van Noort und des Rubens huldigte. Sonſt ſind wir über Hals' Jugendſchickſale nicht
berichtet. Jedenfalls hat er ſich nicht mit der Lehre und dem Beiſpiel van Mander's begnügt, ſon-
dern ſeine Kunſtart beweiſt, daß er von der neuen Art zu malen, die im Atelier van Noort's aufkam,
von dem gediegenen Naturſtudium, der gewaltigen Färbung und der breiten Pinſelführung auf's
Gründlichſte profitirt hat, wie früh er ſich auch nach Holland zurückbegab. Denn ſchon 1611 finden
wir ihn als ſelbſtändigen Maler in Haerlem verheirathet und als Vater eines Sohnes wieder.
Frans Hals iſt von den neueren Kunſtforſchern mit derſelben Lebhaftigkeit gegen die Beſchul-
Deutſchlands Kunftſchätze. 10