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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0391
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Giovanni Kellini.

Bei Mondſchein muß man den Einzug in Venedig halten, wenn man mitten in die Wunder-
welt der Stadt verſetzt werden will. Wenn die Barke unter ſchnellem Ruderſchlag die Windungen
des weiten Canale grande dahingleitet, und rechts und links einer der bekannten Paläſte nach
dem anderen emporſteigt, dann ahnt man nichts von den Spuren des Verfalls, den das Auge hier
bei Tageslicht wahrnimmt. Wer an ſolchem Abend ſich auf der Waſſerfläche vor der Piazzetta
wiegt, während das Ohr nichts vernimmt, als den Ruderſchlag oder einen über das Waſſer klin-
genden Geſang, wer dann auf der einen Seite nach San Giorgio maggiore, das im vollen Mond-
glanz daliegt, auf der andern nach dem Dogenpalaſt, der Bibliothek, der Riva de' Schiavoni, von
der Hunderte von Lichtern herüberſchimmern, blickt, der fühlt ſich in die Zauberexiſtenz eines glanz-
vollen Märchenreichs verſetzt.

Venedig hat mit dem übrigen Italien wenig gemein. Wie es durch die Lagunen vom Feſt-
land äußerlich getrennt iſt, ſo iſt es im ganzen Charakter, auch im künſtleriſchen, von ihm geſchieden.
In das Meer richtet der Blick des Venetianers ſich hinaus, nach den Schätzen ferner Länder
ſendet er ſeine Schiffe, und am Glanz des Orients fängt er die Funken auf, die hernach in ſeiner
Heimat zum vollen Licht emporflammen. Die Kuppelgebäude von Byzanz wurden Vorbild der.
Kirche San Marco, die in buntem Marmor, Gold und Moſaiken ſtrahlt. Die Farbe, die ſich in
der feuchten Seeluft zu ſo eigenthümlichen Stimmungen wandelt, iſt das Lebenselement Venedigs,
den Bauwerken, den Plätzen, dem täglichen Treiben giebt ſie den Charakter, und vorzugsweiſe
coloriſtiſch iſt auch die venetianiſche Malerei.

Der Meiſter, der ihr zuerſt dies Gepräge giebt, iſt Giovanni Bellini. Die Künſtler des
fünfzehnten Jahrhunderts, die ihm vorangehen und neben ihm ſtehen, haben von dieſer Auffaſſung
noch keine Ahnung. Die Maler der Familie Vivarini, welche ihre Werkſtatt auf der Inſel
Murano hat, und Carlo Crivelli, welcher ihnen nachfolgt, hängen in ihrer Richtung mit der
Malerei des Feſtlandes, namentlich mit der Schule von Padua, zuſammen. Die Prunkſucht des
reichen Venedig ſpiegelt ſich in den prächtigen und glänzenden Einzelheiten, in den ſchimmernden
architektoniſchen Decorationen, mit denen ſie ihre Bilder überladen, aber den herben Geſtalten
fehlt noch die ruhige, milde Schönheit; der Farbe fehlt trotz aller Klarheit, Mannichfaltigkeit und
Leuchtkraft, doch die ſtimmungsvolle Harmonie, welche die Vorbedingung des eigentlich Coloriſtiſchen
iſt. — Giovanni Bellini hängt in ſeinen Anfängen noch mit der alten Schule von Murano
zuſammen, eilt dann aber bald über ſie hinaus. Sein Vater Jacopo war gleichfalls Maler und
übertrug ſeine Kunſt auf zwei Söhne, Gentile und Giovanni, der erſte 1421, der zweite 1426
geboren. Ihre Wege trennen ſich, Gentile bleibt noch mehr der ältern ſtrengen Richtung treu,
aber mit empfänglichem Auge für die Erſcheinungsfülle der Wirklichkeit. Am eigenthümlichſten iſt
er in jenen großen, ſchildernden Gemälden, in welchen er mit außerordentlichem Figurenreichthum
und treuer Wiedergabe der architektoniſchen Scenerie das Leben und Treiben ſeiner Vaterſtadt
feſthält, wie in jener Feſtproceſſion auf dem Marcusplatz, die in der Akademie zu Venedig hHangt.
Der Rath von Venedig ſendete ihn zum Sultan, der einen Maler verlangte; Gentile ſetzte dieſen

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