64 Giovanni Dellint.
durch ſeine Kunſt in Erſtaunen, kehrte reich belohnt zurück und führte auch Schilderungen aus der
türkiſchen Hauptſtadt für die Heimat aus, wie den Empfang einer venetianiſchen Geſandtſchaft zu
Conſtantinopel, in der Galerie des Louvre Er ſtarb den 23. Februar 1507.
Giovanni malte Bildniſſe und kirchliche Gemälde, anfänglich in Tempera, bis ſich 1473
Antonello da Meſſina in Venedig niederließ, der in Flandern bei den Schülern des van Eyck
die Oelmalerei kennen gelernt hatte und dieſe neue Technik nach Italien brachte. Die größere
Kraft und Gluth, die vollere Lebenswaͤhrheit, welche ſich mit derſelben erreichen ließen, waren
Giovanni Bellini willkommen. Die großen hiſtoriſchen Malereien, die er im Dogenpalaſt mit
ſeinem Bruder ausführte, ſind im Brande von 1577 zu Grunde gegangen. Kirchliche Andachts-
bilder ſind die meiſten Werke, die noch von ihm exiſtiren, Madonnenbilder oder ſogenannte heilige
Converſationen, auf welchen die Geſtalten männlicher oder weiblicher Heiligen neben dem Thron
der Gottesmutter ſtehen. Keine Handlung verbindet dieſe Figuren, ruhig, in ſchlichter Haltung
ſtehen ſie da, aber die Empfindungen, welche das Antlitz einer jeden ſpiegelt, klingen in einheitlicher
Stimmung zuſammen. Die Träger dieſer Empfindungen ſind Charaktere, wie ſie Bellini in
wundervoller Hoheit feſtzuhalten verſtand, Frauen in ſanfter Schönheit, Männer in mildem Ernſt
und in einer Würde, die ſich bis zur Großartigkeit ſteigert. Keine Verklärung, keine ekſtatiſche
Begeiſterung hat der Künſtler in ſie hineingelegt, ſie ſind rein menſchlich aufgefaßt, aus dem Leben
ſelber gegriffen und doch immer über alles Zufällige und Bedingte der Wirklichkeit erhaben. Und
zu den Füßen der heiligen Zungfrau bringt er mit Vorliebe kleine muſieirende Engel von unbe-
ſchreiblicher Holdſeligkeit an. Spricht doch auch Goethe in den venetianiſchen Epigrammen von den
Knäblein, „wie ſie Giovauni Bellin reizend mit Flügeln gemalt.“ Dem Greiſenalter nahe ſchuf
er erſt ſeine Hauptwerke dieſer Gattung, 1488 dasjenige in der Kirche de’ Frari, 1505 den Altar
in S. Zaccaria, 1507 dasjenige in San Francesco della Vigna. Unter den Madonnenbildern in
Halbfiguren mögen das großartigeſtrenge von 1487 in der Akademie und die drei Bilder breiten
Formats in der Sakriſtei des Redentore die ſchönſten ſein. Aus dem Jahre 1513 ſtammt ein Bild
in der Kirche San Giovanni Criſoſtomo. Der Heilige, dem dieſelbe geweiht iſt, ſitzt in über-
lebensgroßer Figur auf einem Felſen, während Chriſtophorus und Auguſtinus an ſeiner Seite
ſtehen. Hier iſt faſt ſchon die volle maleriſche Freiheit der ſpätern venetianiſchen Schule erreicht,
wie Tizian ſie offenbart.
Vor einem ſolchen Werk wird man inne, daß Albrecht Dürer mit Recht bei ſeinem Aufent-
halt zu Venedig im Jahre 1506 von Giovanni Bellini nach der Heimat melden konnte: „Er iſt
ſehr alt und noch der Beſt' im Gemäl“ Bellini gehört zu denjenigen Meiſtern Italiens, welche
aus dem vorbereitenden Stil des fünfzehnten Jahrhunderts bis nahe an die wahrhaft vollendete
Kunſt des ſechzehnten gedrungen ſind. Er lebte noch geraume Zeit nach ſeiner Begegnung mit
Albrecht Dürer und ſtarb erſt im Alter von neunzig Jahren den 29. November 1519. Während
die Richtung ſeines Bruders Gentile hauptſächlich durch Vittore Carpaccio fortgeſetzt ward, ſam-
melte ſich um Giovanni eine größere Anzahl von Schülern und Genoſſen, unter denen ihm Eima
da Conegliano am nächſten ſteht. Marco Baſaiti und Vincenzo Catena ſind demnächſt zu
nennen Aber aus Bellini's Schule ſind endlich auch Giorgioneund Tizian hervorgegangen, welche
die venetianiſche Malerei zur höchſten Blüthe führen. - A, W.
durch ſeine Kunſt in Erſtaunen, kehrte reich belohnt zurück und führte auch Schilderungen aus der
türkiſchen Hauptſtadt für die Heimat aus, wie den Empfang einer venetianiſchen Geſandtſchaft zu
Conſtantinopel, in der Galerie des Louvre Er ſtarb den 23. Februar 1507.
Giovanni malte Bildniſſe und kirchliche Gemälde, anfänglich in Tempera, bis ſich 1473
Antonello da Meſſina in Venedig niederließ, der in Flandern bei den Schülern des van Eyck
die Oelmalerei kennen gelernt hatte und dieſe neue Technik nach Italien brachte. Die größere
Kraft und Gluth, die vollere Lebenswaͤhrheit, welche ſich mit derſelben erreichen ließen, waren
Giovanni Bellini willkommen. Die großen hiſtoriſchen Malereien, die er im Dogenpalaſt mit
ſeinem Bruder ausführte, ſind im Brande von 1577 zu Grunde gegangen. Kirchliche Andachts-
bilder ſind die meiſten Werke, die noch von ihm exiſtiren, Madonnenbilder oder ſogenannte heilige
Converſationen, auf welchen die Geſtalten männlicher oder weiblicher Heiligen neben dem Thron
der Gottesmutter ſtehen. Keine Handlung verbindet dieſe Figuren, ruhig, in ſchlichter Haltung
ſtehen ſie da, aber die Empfindungen, welche das Antlitz einer jeden ſpiegelt, klingen in einheitlicher
Stimmung zuſammen. Die Träger dieſer Empfindungen ſind Charaktere, wie ſie Bellini in
wundervoller Hoheit feſtzuhalten verſtand, Frauen in ſanfter Schönheit, Männer in mildem Ernſt
und in einer Würde, die ſich bis zur Großartigkeit ſteigert. Keine Verklärung, keine ekſtatiſche
Begeiſterung hat der Künſtler in ſie hineingelegt, ſie ſind rein menſchlich aufgefaßt, aus dem Leben
ſelber gegriffen und doch immer über alles Zufällige und Bedingte der Wirklichkeit erhaben. Und
zu den Füßen der heiligen Zungfrau bringt er mit Vorliebe kleine muſieirende Engel von unbe-
ſchreiblicher Holdſeligkeit an. Spricht doch auch Goethe in den venetianiſchen Epigrammen von den
Knäblein, „wie ſie Giovauni Bellin reizend mit Flügeln gemalt.“ Dem Greiſenalter nahe ſchuf
er erſt ſeine Hauptwerke dieſer Gattung, 1488 dasjenige in der Kirche de’ Frari, 1505 den Altar
in S. Zaccaria, 1507 dasjenige in San Francesco della Vigna. Unter den Madonnenbildern in
Halbfiguren mögen das großartigeſtrenge von 1487 in der Akademie und die drei Bilder breiten
Formats in der Sakriſtei des Redentore die ſchönſten ſein. Aus dem Jahre 1513 ſtammt ein Bild
in der Kirche San Giovanni Criſoſtomo. Der Heilige, dem dieſelbe geweiht iſt, ſitzt in über-
lebensgroßer Figur auf einem Felſen, während Chriſtophorus und Auguſtinus an ſeiner Seite
ſtehen. Hier iſt faſt ſchon die volle maleriſche Freiheit der ſpätern venetianiſchen Schule erreicht,
wie Tizian ſie offenbart.
Vor einem ſolchen Werk wird man inne, daß Albrecht Dürer mit Recht bei ſeinem Aufent-
halt zu Venedig im Jahre 1506 von Giovanni Bellini nach der Heimat melden konnte: „Er iſt
ſehr alt und noch der Beſt' im Gemäl“ Bellini gehört zu denjenigen Meiſtern Italiens, welche
aus dem vorbereitenden Stil des fünfzehnten Jahrhunderts bis nahe an die wahrhaft vollendete
Kunſt des ſechzehnten gedrungen ſind. Er lebte noch geraume Zeit nach ſeiner Begegnung mit
Albrecht Dürer und ſtarb erſt im Alter von neunzig Jahren den 29. November 1519. Während
die Richtung ſeines Bruders Gentile hauptſächlich durch Vittore Carpaccio fortgeſetzt ward, ſam-
melte ſich um Giovanni eine größere Anzahl von Schülern und Genoſſen, unter denen ihm Eima
da Conegliano am nächſten ſteht. Marco Baſaiti und Vincenzo Catena ſind demnächſt zu
nennen Aber aus Bellini's Schule ſind endlich auch Giorgioneund Tizian hervorgegangen, welche
die venetianiſche Malerei zur höchſten Blüthe führen. - A, W.