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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0171
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Die Kinder Karl's J. von England.

Von van Dyck.

Van Dyck, befand ſich, vom Könige Karl I. berufen, in London und in der herrlichen Som-
merwohnung, welche er der Munificenz ſeines erlauchten Gönners dankte. Es war in den Abend-
ſtunden. Den Maler ſehen wir in einem weiten, auf's Prächtigſte und Geſchmackvollſte geſchmückten
Saale. Van Dyck, ein ſchlanker, ſchöner Mann, iſt noch jung, noch nicht an der Mitte der dreißiger
Jahre; dennoch beſitzen ſeine Wangen keine Blüthenfriſche mehr; ſein ausdrucksvolles, großes
Auge blickt heiß und matt, und die Stirn iſt düſter gefaltet. Van Dyck's Anzug war bequem,
reich, aber ſehr nachläſſig angelegt; ſein ſchönes Haar war ungeordnet. Der ganze Ausdruck dieſes
edlen Kopfes, dieſer ſchönen Geſtalt war melancholiſch niedergeſchlagen. Der Meiſter ſchien mit ſich
und der Welt höchſt unzufrieden, er hatte das Anſehen, als ſei er mit ſeinem eigenen Innern und
mit ſeiner ganzen Umgebung vollſtändig zerfallen. Ihn ſchien das Leben, welches den Auserwählten,
mit Tauſenden von Reizen geſchmückt, lockend anlächelte, mit Widerwillen zu erfüllen. Das machte,
van Dyck, der leidenſchaftliche Künſtler mit dem glühenden romantiſchen Innern, war überſättigt.
Unzufrieden, faſt gramvoll ſtreckte er ſich auf den Kiſſen ſeines Ruhebettes aus und maß zwei Herren,
welche neben demſelben ſtanden, mit finſteren Blicken. Dieſe Männer waren Digby, der intime
Freund des Malers, und ſein Gönner, der Herzog von Buckingham. Digby war ein blaſſer, hoher,
ernſter Mann, nur wenig älter, als van Dyck; er war in dunkelfarbigem Kleide, und erſchien
eben ſo einfach, als edel. Der Herzog von Buckingham war ſo glänzend angezogen, als ſollte er
unmittelbar darauf das Parquet der königlichen Prachtzimmer betreten. Buckingham war ein ält-
licher Herr von ariſtokratiſcher Haltung mit ſtolzen, faſt herriſchen Manieren.

„Ich lade Euch, Meiſter van Dyck“, ſagte der Herzog, faſt heftig die Hand bewegend, in
welcher er ſeinen, mit weißen Federn gezierten Hut hielt, „feierlichſt nach Whitehall zum König Karl
ein. Er läßt Euch durch mich ſeines ausgezeichneten Wohlwollens verſichern und bittet Euch, über-
zeugt zu ſein, daß nichts dieſe gnädigen Geſinnungen ändern fönne .. .“

„Sehr wohl!“ erwiederte van Dyck übellaunig. „Ich kenne dieſe Geſinnungen der Engländer
nur zu genau. Ich hätte eigentlich nie vergeſſen ſollen, wie man mich hier in London zum erſten
Male empfing, dann würde ich neue Kränkungen nicht zu beklagen haben. Ich mag nichts ſehen,
nichts hören, edler Herzog, es iſt mir Alles zuwider; England und die Engländer beſonders, und
König Karl und ſein Hof am allermeiſten. Ich werde nach Antwerpen reiſen, um mich dort wenig-
ſtens ruhig zu Tode langweilen zu können.“

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