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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0416
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Paolo veroneſe.

Tintoretto's Talent ließ der greiſe Tizian, nach einem ältern Zeugniß, ſich wohl gefallen,
obwohl er auch Manches an ſeiner Malweiſe auszuſetzen fand, aber Paolo den Veroneſer hielt er
unbedingt hoch, als den größten Maler der jüngern Generation. Paolo Caliari — das iſt ſein
Familienname — war kein Schüler Tizian's; er hatte in Verona, wo er 1528 geboren iſt, zuerſt
künſtleriſche Anregung durch ſeinen Vater, den Bildhauer Gabriele Caliari, empfangen und
war dann zu ſeinem Oheim, dem Maler Antonio Badile in die Lehre gekommen. Seine erſten
Werke entſtanden in ſeiner Vaterſtadt, ferner zu Mantua, zu Tiene bei Brescia, wo er das Schloß
des Grafen Porti mit Frescobildern ſchmückte, dann wurde Venedig ſeine zweite Heimat, er betrat
die Stadt in der Zeit ihrer höchſten künſtleriſchen Pracht, als Sanſovino, der Erbauer der Biblio-
thek, die venetianiſche Architektur beherrſchte, als Tizian noch in voller Kraft daſtand und zahl-
reiche Schüler und Nachfolger ſich um ihn ſchaarten, als Tintoretto in ſtürmiſcher Haſt die
Malerei auf ganz neue Gebiete mit fortreißen wollte. Die Pracht der dortigen Bauwerke, die
Heiterkeit des Lebens, das glanzvolle Auftreten der vornehmen Welt, das bunte bewegte Volksleben
bemächtigen ſich ſeiner Phantaſie. Zu coloriſtiſcher Auffaſſung fühlt er ſich durch ſeine eigene
Natur wie durch die herrſchende Richtung in Venedig getrieben, gleichzeitig wird er ſowohl von
dem großen Altmeiſter der Schule, wie von dem kühnen Neuerer innerhalb derſelben angezogen.
Von Tintoretto aber unterſcheidet Paolo Veroneſe ſich dadurch, daß er deſſen unvenetianiſche Züge
von ſich fern hält. Er bleibt den alten Traditionen der Schule darin treu, daß nicht ſowohl
bewegte dramatiſche Handlung, als eine ruhige, ſtimmungsvolle Situation ſein Ziel iſt. Auch ſein
Beſuch in Rom, den er 1563 im Gefolge des venetianiſchen Geſandten Girolamo Grimani machen
durfte, bringt keine Wandlung in ſeiner künſtleriſchen Richtung hervor.

Wenn er ſich irgendwo dem Dramatiſchen genähert hat, ſo iſt es in mehreren Bildern für
San Sebaſtiano zu Venedig. Einige Deckengemälde in Sakriſtei und Kirche waren ſeine erſte
namhafte Arbeit in der Inſelſtadt; dieſer folgten, gegen 1565, drei große Bilder im Chor, die,
Hauptmomente aus der Legende des Heiligen: Sebaſtian tritt zum erſtenmal öffentlich für das
Chriſtenthum ein, indem er Marcus und Marcellinus auf ihrem Wege zum Tode, trotz allem
Flehen des greiſen Vaters, der Frauen, der Kinder, im Glauben beſtärkt; — Sebaſtian bleibt
auf der Folterbank ſeiner Ueberzeugung treu; — von Pfeilen durchbohrt bricht er endlich zuſam-
men und ſchaut in den Wolken die himmliſche Herrlichkeit. Reiche architektoniſche Perſpectiven in
prächtiger Hochrenaiſſance eröffnen ſich im Hintergrunde, zahlreiche Nebenfiguren, zuſchauend oder
theilnehmend, drängen ſich heran, in das venetianiſche Coſtüm der Zeit gekleidet. Ihre Fülle
hindert vielleicht die völlige und klare Entfaltung des Hauptvorganges, und ſogar die handelnden
Figuren haben zwar ſtets eine bewundernswerthe Grandezza, oft aber auch etwas ſeltſam Schwan-
kendes in Haltung und Auftreten, und daher nicht die volle dramatiſche Entſchiedenheit. Dafür
aber bewahrt Paolo Veroneſe eine würdevolle Faſſung, ein edles Maß auch in ſolchen Momenten,
welche Tintoretto zu fieberhafter Aufgeregtheit hinreißen würden. Den körperlichen Schmerz
ſtellt er nur dar, um auch zugleich ſeine geiſtige Ueberwindung zu ſchildern.

Faſt noch mehr in ſeinem Elemente iſt Paolo bei einem ſo heroiſchen und getragenen Vor-
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