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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0223
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Deutſchlands Kunſtſchaͤtze. 141

„Ich weiß es nicht; möglich iſts; aber nicht wahrſcheinlich. Finden Sie ſich hier unbequem,
ſo müſſen Sie ein anderes Mal wiederkommen.“

„O nein, nein! Ich will gern warten.“

„Deſto beſſer für Sie“, ſagte die Iris, welche ſch noch hier und dort zu thun machte. .
„Aber ich möchte Ihnen doch bemerken, daß meine Dame nicht mit „Mademoiſelle“, ſondern mit
„Madame“ angeredet wird . . .“

„Ah, * ich wußte nicht, daß Madame ſich verheirathet hatte, ſeit ich Paris nicht ge-
ſehen habe. .

Den * Theil der Unterredung hatte eine Dame angehört, welche — eine Ta-
petenthür geöffnet hatte und hinter dem Rücken des Fremden eingetreten war.

„Laſſen Sie ſich die Notiz nicht anfechten!“ ſagte ſie äußerſt heiter mit einer Stimme vom
höchſten, ſanfteſten Wohllaute. „Mademoiſelle oder Madame — Titel iſt Titel. Das liegt auf
philoſophiſchem Gebiet. . . Von einem Titel wie von der Philoſophie wird man nie den eigentlichen
Grund finden.“

Der Fremde wandte ſich erſchrocken um.

Vor ihm ſtand eine zierliche Dame in ſehr einfachem Kleide von veilchenfarbiger Seide, deſſen
kurze Aermel ihre vorzüglich ſchön geformten Arme ſehen ließen. Ihr rabenſchwarzes Haar war
ä la Trianon hoch friſirt, mit langen Locken hinter beiden Ohren; aber durchaus ohne Puder. Sie
mochte vielleicht dreißig Jahre zählen und hatte in gewiſſer Hinſicht eine Aehnlichkeit mit dem
Grünrock — ſie war nicht ſchön und ſchwerlich jemals ſchön geweſen. Die Bewegung ihrer Lippen
aber, die Form des Mundes, das Lächeln, die Stimme vor allen Dingen, erſchienen von einer be-
zaubernden Anmuth. Dies ganze Geſicht aber ward gleichſam von ihren großen, funkelnden Augen,
die Geiſt und frohe Laune verkündigten, erhellt und die Beweglichkeit des Mienenſpiels ließ auf
eine pfeilſchnell wirbelnde Einbildungskraft und höchſt lebhafte Empfindung einen Schluß machen.

„Madame Arnould“, ſagte der Fremde, die Dame ins Auge faſſend.

Sie hielt ein kleines Kartenblatt in der Hand und las:

„Dupleſſis; Monſieur Joſeph Sifrede Dupleſſis! Nehmen Sie Platz. Was wünſchen Sie?“

„Ich wäre glücklich, wenn Sie ſich meiner erinnerten ..“ antwortete Herr Dupleſſis.

Madame Arnould hob einen Moment lang die Augen ſinnend empor.

—„Nein“, ſagte ſie dann. „Wir wollen die Zeit nicht mit Grübeln hinbringen. Ich erinnere mich
Ihrer nicht; aber kränken Sie ſich nicht etwa darüber ... Ich habe mehr als hundert Opern ver-
geſſen, in denen ich einſt eine Rolle ſpielte; warum ſollte ich nicht auch Jemand vergeſſen, der In
meinem Leben einſt eine Rolle ſpielte?“

Der Ton, mit welchem ſie dies ſagte, war ſcherzend; ihre Augen aber hatten einen faſt weh-
müthigen Ausdruck angenommen.

„Madame, meine Rolle war wohl eine ſehr untergeordnete — ich * Sie einſt portraitirt. .
Etrntſchuldigen Sie, da oben hängt das Medaillon ... Das Bildniß trägt einen Myrthenfranz . . _“
„Parbleu! Willkommen Herr Dupleſſis! Wiſſen Sie, daß ich dies Bild immer als eine
Art von Orakel verehrt habe? Ich wollte damals heirathen und war begierig auf den bräutlichen
Schmuck. Der Verlobte würde ſich bald genug finden, meinte ich Wohlan — er fand ſich nicht

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