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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0038
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22 Deutſchlands Kunſtſchaͤtze.

Anzahl von Goldbarren aus Eiſen oder Kupfer herzuſtellen. Potterus wies ſie lächelnd von ſich,
aber der Glaube an ſeine Kunſt ward dadurch noch mehr befeſtigt. Jedermann kannte die einfache,
faſt aſcetiſche Lebensweiſe des Chemikers; er mußte nothwendig arm oder geizig ſein, um ſich ſo
conſequent jedes weltliche Vergnügen, jeden Genuß zu verſagen Hiermit ſtimmte aber durchaus
nicht zuſammen, daß Erasmus Potterus, als die ſchöne Kalverſtraat und die Keyzersgracht erwei-
tert und neu aufgeführt werden ſollten, bei dem Magiſtrat zu dieſem Zwecke eine Summe von
fünfzigtauſend Goldgülden zum Geſchenk niederlegte.

Soviel war indeß, aller halbwahren oder märchenhaften Gerüchte ungeachtet, ſicher: daß dieſer
Wundermann die Sanftmuth und das menſchliche Mitleiden ſelbſt war. Er gab reiche Almoſen,
und reichte jedem der Kranken, die aus der Hauptſtadt und aus der Umgegeñd kamen, zuvorkom-
mend gute Arznei und zwar unabänderlich umſonſt.

Potterus war übrigens unverheirathet, hatte keine Anverwandte, und bewohnte ſein Haus
allein. Einige Knechte, welche die Blaſebälge ſeiner Eſſen zogen, oder an dem Moörſer arbeiteten,
kamen Morgens und gingen Abends wieder nach Hauſe.

So lebte Potterus — da kam zu Amſterdam ein venetianiſches Schiff an, mit levantiniſchen
Erzeugniſſen beladen. Mit dieſem Schiffe traf ein Arzt ein, welcher Gaetano Trombona hieß.
Dieſer Italiener quartierte ſich in einem Gaſthofe ein, welcher der Wohnung des Erasmus Potterus
ſchräg gegenüber lag. Große Anzeigen ſeiner wunderbaren Kenntniſſe und Curen bedeckten die
Wände des Gaſthauſes, und ein unerhörter Andrang fand zu dem Fremden Statt, welcher die Ge-
heimniſſe des Orients zu beſitzen vorgab. Bald aber kam das Gerücht, dieſer Italiener aus Parma
ſei ein Wallone, kein Arzt, ſondern ein vormaliger Reiter vom Condottiere Spinola, ein Aben-
teurer, welcher nichts verſtehe, als Leichtgläubige auszuplündern. Trombona vernahm dieſe Ge-
rüchte, und er eilte, ſein geſunkenes Anſehen dadurch wieder zu befeſtigen, daß er mit dem als wahr-
haften Gelehrten bekannten und hochgeachteten Erasmus Potterus Bekanntſchaft anknüpfte.

Trombona trat alſo bei dem Chemiker ein, welcher ihn in ſeinem Laboratorio mit gewohnter
Zuvorkommenheit empfing. Potterus war etwa ſechsundvierzig Jahre alt, mehr hager als ſtark;
er trug einen laͤngen Bart, ein Doctorbaret mit Pelz, eine Art Kaftan mit Marderfellen beſetzt
und Pantoffeln mit Goldbrocat eingefaßt. Das Laboratorium ſah fremdartig genug aus, und der
Chemiker bemerkte zu ſeiner großen Zufriedenheit und mit dem ſanftmüthigſten Lächeln von der
Welt, daß Gaetano vom Anblicke deſſelben einigermaßen überraſcht war. Die Eſſen dampften und
ſprühten Funken; vor der einen arbeitete der Meiſter in ſeinem großen Lehnſtuhle, neben ſich einen
Handblaſebalg, kleine Schmelztiegel, Retorten und chemiſche Apparate; hinter ſich einen reich ge-
deckten, mit den verſchiedenſten Inſtrumenten, Büchern und Fläſchchen verſehenen Tiſch. An der
Außenſeite der Haupteſſe waren Schädel und Knochenreſte von Thieren und ein rieſiger Deſtillir-
apparat angebracht. Unten lag ein Buch — es waren die Geheimniſſe des Trismegiſtus, mit allem
tief- oder wahnſinnigen Wuſte einer ſich in labyrinthiſchen Irrgängen verlierenden Kabbala.

Gaetano Trombona, ein unterſetzter Mann von imponirendem Aeußern in der Doctortracht
von Bologna, wußte den Potterus ſehr bald für ſich einzunehmen, und als er zwei ſeiner corſica-
niſchen braunen Diener in das Laboratorium brachte, welche einen großen, eigenthümlich geformten,
ſchön ausgeſtopften Fiſch trugen und ihn dem Erasmus als Geſchenk anboten, da kannte die Freude
des Niederländers keine Grenzen. Dieſer Fiſch war ein durchaus unbekannter; er war nicht etwa
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