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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0039
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Dentſchlands Kunſtſchütze. 23

wie die höchſt ſeltſame und berühmte, lange für echt gehaltene antwerpener Seeſchlange mit Flügeln,
künſtlich, ſondern ein natürlicher Reſt von einem Seethiere, das Gaetano für einen Krokodilhaifiſch
erklärte, und von welchem er behauptete, daß dieſe Gattung auf dem Lande gehen könne, obgleich
ſie keine Füße habe. Das Thier ward feierlich oben an die Zimmerdecke gehängt.

Von dieſem Tage an war Erasmus der Freund des Italieners, welcher von nun an bei ihm
ein täglicher Gaſt war. Beide reichten ſich bei mehreren Geſchäften die Hand. Trombona ſetzte ſich
in das Laboratorium des Niederländers und fertigte die kommenden Kranken ab, Potterus bereitete
nach ſeiner Angabe Elixire für dieſelben. Dieſe Verbindung ward immer genauer, denn ſchwerlich
war ein gewandterer Mann als Gaetano zu finden. Potterus hatte ſehr bald entdeckt, der Italie-
ner ſei kein großer Gelehrter in Hinſicht auf Arzneikunſt; aber der Abenteurer, welcher den Orient,
Arabien, Perſien und Aegypten durchſtrichen hatte, verſtand die morgenländiſchen Sprachen der
kabbaliſtiſchen Bücher ſo vollſtändig, daß dem wißbegierigen Holländer der neue Freund bald unent-
behrlich wurde.

Potterus fing bald an, den Italiener in ſeine Geheimniſſe einzuweihen. Nur ſtufenweiſe ent-
deckte der Chemiker ſeine Kunſt, ſo ſehr Gaetano ihn auch weiter drängte. Es war, als wenn eine
Ahnung dem Chemiker zugerufen hätte: verräthſt Du die „geheime Kraft der Wiſſenſchaft, ſo
koſtet es Dein Leben!“

Faſt zitternd geſtand Potterus dem Freunde, daß er ſeit Jahren ein Geheimniß beſitze, welches
er länger allein zu tragen und ſtumm in ſeine Bruſt zu verſchließen nicht die Kraft beſitze. Er
führte Gaetano nach einer wohlverſchloſſenen Kammer, und zeigte ihm hier Gold in gewaltigen
Haufen aufgeſchichtet.

„Sieh, mein Freund“, ſprach der Chemiker, „dies Alles habe ich durch die Kunſt, welche ich
entdeckte, gewonnen.“ Gaetano horchte athemlos. „Aber glaubſt Du, daß der Anblick dieſes Goldes
mich dafür entſchädigt, daß ich meine Entdeckung bisher noch in keine menſchliche Seele habe nie-
derlegen können? — Du wirſt hören, Du wirſt ſehen und wirſt begreifen, daß alle Macht der Welt
in meinen Händen liegt! Habe ich Dich ſpäter erprobt, habe ich Dich ſo treu und würdig wie bis-
her erfunden, ſo wirſt Du Theilnehmer meiner Erfindung, damit ich den Weg in den kalten Regio-
nen der Wiſſenſchaft nicht mehr allein, wie ein vom Leben Abgeſchiedener zu wandeln gezwungen bin.“

Einige Zeit verſtrich, und noch immer hatte Potterus ſich nicht erklärt. Trombona ward faſt
unſinnig vor Neugierde und einer Leidenſchaft, die ſich ſpäter ausſchließlich ſeiner bemächtigte. Der
Holländer zeigte ihm eines Abends tief im unterſten Gewölbe ſeines Kellers einen weiten, klaren
Teich, in welchem einige Schichten Muſcheln über einander lagen. Gaetano begriff erſt dann, als
Potterus ſich bückte, eine Muſchel und dann noch eine herausnahm und mit einem Inſtrumente aus
den Schalen blitzende, runde Körper hervorlangte, die der Staunende als die unſchätzbarſten, echten
Perlen erkannte.

„Berlen!“ rief der Holländer. „Eine einzige dieſer Muſcheln liefert mir für Tauſende von
Gülden dieſer Kleinode jährlich, und meine Kunſt iſt es, meine ſtummen Arbeiter zu veranlaſſen,
mir nach meinem Willen ihre herrliche Waare zu ſchaffen!“

Tief erſchüttert ging Trombona nach ſeiner Wohnung. Es litt ihn nicht mehr im Laboratorio
des Holländers, nur unten im Gewölbe ward er ruhig. Stundenlang ſaß er und viſitirte und
beobachtete die Muſcheln und forſchte und grübelte. Er ſah das Wunder vor ſich, aber je mehr er

— “
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