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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 1) — Leipzig: Verlag von A. H. Payne, 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.62315#0141
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Deutfhlands Kunkfhäke. 2 —

wo ſich die magiſchen Gemälde befanden, während ein halbes Dutzend Maler neugierig vor der
Thür harrte. Als ſie hervorgebracht wurden, dieſe Bilder, waren nichts als wüſte Striche und
bunte Kleckſe zu ſehen, aus denen ſelbſt die Maler nichts als ein Chaos herauszufinden vermochten,
Zeichen genug, daß ſie die Lichteffeete bei weitem nicht ſo genau kannten, als ihr ſchwermüthiger Freund.

Als Schalken dieſe „Kirchenräuberei“ erfuhr konnte er kaum abgehalten werden, mit Mieris
den langen Stoßdegen zu kreuzen. Glücklicherweiſe ließ ſich indeß der Dordrechter mit einem
Eierpunſch, deſſen Grundſtoff echter Schiedamer war, ſicher beſänftigen; denn er gab, was die Liebe
zum Becher betraf, dem Mynheer van Mieris, welcher in dieſem Punkt groß war, wenig nach.

Die Punſchbereitung, die Anfertigung des Ei-Schiedamers, blieb ſtets Mieris überlaſſen.
Bei einem ſolchen Anlaſſe war's, daß Schalken eines ſeiner Kunſtſtücke producirte. Die Geſellſchaft
war eines Abends bei Mieris in ſeinem Atelier verſammelt. Die Freunde ſaßen um den Tiſch und
warfen ihre Geldſtücke zuſammen.

Dann ſchrie Franz: „Jantje!“

Die Dienſtmagd der Wirthin, der Liebling der Maler, erſchien. Statt aber, wie ſonſt, ſelig
zu lächeln, war das achtzehnjährige Mädchen heute wo möglich noch melancholiſcher, als Schalken,
welcher ſchon ſeit einer Viertelſtunde unverwandt eine Laokoon-Statue auf einem Nebentiſche an-
ſtarrte, ohne ein Wort zu ſprechen. Sogar die Roſenwangen Jantje's ſchienen verblaßt; ihr krauſes
Haar hing unordentlich, aber noch immer ſchön, um ihre Stirn.

„Was machſt Du heut Abend für Geſichter, Mädchen?“ rief Mieris aufblickend. „Iſt Dir
Dein Liebhaber etwa ungetreu geworden?“ Statt der Antwort machte das Mädchen Anſtalt zu
weinen. Jetzt ſtanden die Maler auf und ſtellten ſich um ſie und beſtürmten ſie ſo lange, bis ſie
geſtand: ihr Geliebter ſei ein Fiſcher, der nothwendig ein Boot heirathen müſſe.

„Ein Boot?“ riefen die Jünglinge.

„Ja, ein Mädchen, das ein Boot beſitzt, ſonſt giebts der * Pieter's nicht zu, und mein
Freund muß eine Andere, Reiche freien ... Und ich bin ſo arm .

„Ah bah! Heule nicht!“ ſagte 2— barſch. „Hol' die 7 für unſern Schiedamer und
dann wollen wir gelegentlich weiter ſehen.“

Jantje nahm ſehr beſtürzt das Geld und ging. Als ſie wieder erſchien, hatte ſie noch dieſelbe
ſchüchterne Miene; ſie ſchien nur mit Gewalt ihre Thräuen zurückzuhalten. Kaum wagte ſie es,
den geflochtenen Weidenkorb, faſt ſchier mit den ſchneeweißeſten Eiern gefüllt, den Jünglingen, von
denen ſie Troſt in ihrem *44 erwartet haben mochte, auf den Tiſch zu ſetzen.

„Die Eier ſehen ja verdächtig aus! rief Schalken abermals und mit höchſt 1 Miene.
„Zeigt doch eben; wenn die nicht faul ſind, ſo heiße ich nicht Gottfried. Z

Und er nahm ein Ei und warf's ohne Umſtände auf den Fußboden. Wortlos ſah Jantje zu.
Plötzlich aber ſtieß ſie einen hellen Ausruf aus und bückte ſich raſch, indeß ſie die Hand ausſtreckte
und dennoch nicht wagte, zuzugreifen. — Mitten in dem zerfließenden Dotter Iag nämlich ein glän-
zendes Goldſtück.

„Ei!“ ſagte Schalken ſehr ernſt. „Das iſt zu ſeltſam, um das Ding nicht noch einmal zu
verſuchen. Geht das ſo fort, ſo werden die Goldſtücke hierlandes ſehr wohlfeil werden.“

Und abermals zerwarf er ein Ei — wieder xeigte ſich das Gold drin; noch eins — daſſelbe
Reſultat.
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