Uembrandt Harmentz (oen) von Rijn oder van Uyn. 41
Wenn in dem Stoffgebiet der holländiſchen Kunſt und ſpeciell derjenigen Rembrandt's, wie
häufig genug mit Befremden bemerkt worden, nicht ganz dasjenige Element als vorherrſchend
angetroffen wird, welches man in Folge eines blutigen Völkerzwiſtes, eines religiöſen Freiheits-
kampfes in den Vordergrund gerückt erwarten ſollte, ſo iſt dies einestheils nur in beſchränktem
Grade richtig, inſofern als nur die Form, in der die vermißten Gegenſtände auftreten, eine eigen-
thümlich neue, fremdartige und ſcheinbar der Größe der Zeit und des Stoffes nicht genügend
entſprechende iſt; andererſeits aber hat dieſe Erſcheinung, ſoweit ſie wirklich vorliegt, auch ihren
guten Grund in den charakteriſtiſchen ſocialen Verhältniſſen, deren Urheber die politiſchen Ereig-
niſſe im Verein mit dem Volksgeiſte waren.
Ein kleines Volk ohne feſte, alteingewurzelte ſtaatliche Organiſation, hatten die Holtänder
gegen die mächtigſte Nation der Welt zähe und am Ende glücklich im Kampfe geſtanden. Wodurch
hätte ſo Großes in's Werk geſetzt werden können, als durch den männlichen Muth der Ueber-
zeugung, durch die volle Hingabe an die höchſten Güter, und zum Erkennen und Ergreifen der
letzteren — durch die kampfgeſtählte ſittliche Feſtigkeit jedes Einzelnen. Jeder Bürger ein Mann,
jeder Mann ein Held, und jeder Anführer nur ein Erſter unter Gleichen: das iſt die Signatur des
öffentlichen Lebens in Holland während dieſer großen Zeit. Alles Beſchränkende mußte da ver-
ſchwinden, vor der perſönlichen Ueberzeugung durfte keine abſolute Norm im ſtaatlichen oder reli-
giöſen Leben Auſpruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Die Menge der tüchtigen Einzelnen verlieh
dem bürgerlichen Gemeinweſen ſeine Kraft, und nur in der Form eines freien und freiwilligen
Bündniſſes konnten ſich die verſchiedenen Bürgerſchaften zu einheitlichem Handelu zuſammenfinden.
So concentrirte ſich der Inbegriff des nationalen Lebens nicht in einzelnen vorleuchtenden
Individuen, ſondern das lebendigſte Gefühl von der kräftigen Theilnahme jedes Bürgers an Rath
und That im gemeinen Weſen verlegte den Schwerpunkt des Intereſſes in die bürgerlichen Kreiſe,
in das bürgerliche Leben In dieſer kleinen Republik war durch glückliche Veraulagung und gün-
ſtige Geſchicke der beneidenswerthe Zuſtand herbeigeführt, daß die großen weltgeſchichtlichen Bewe-
gungen dem Gemeingefühl Aller nur als Mittel zum Zweck ſich darſtellten, daß die allgemeine
Wohlfahrt, das Glück friedfertiger Häuslichkeit und die freie, menſchenwürdige Exiſtenz jedes Ein-
zelnen als der große Preis des Ringens erſchien. Im ſtolzen Bewußtſein der Unüberwindlichkeit,
welche ihnen dieſe allerſittlichſte Anſchauung ihrer Aufgaben verbürgte, und im freudigen Behagen
an dem erprobten Werth und dem erſtrittenen ſtillen Glück betrieben die Holländer von damals
einen naiven Cultus der Perſönlichkeit, eine Verherrlichung des privaten Daſeins, in der ungenannt
und ungeſucht die Größe des Gemeinweſens mit gefeiert wurde; und dieſer Richtung folgte noth-
gedrungen, als einer leitenden im Nationalcharakter, auch die Kunſt Sie vertiefte ſich in die
maunichfachen Situationen des ſchlichten Lebens in den verſchiedenſten Kreiſen, ſie offenbarte im
Bildniß das Geheimniß jener zu Schutz und Trutz gerüſteten Perſönlichkeiten, in denen ſich der
Biederſinn des betriebſamen Bürgers mit dem gewichtigen Ernſt des Staatsmannes und Kriegers
ohne Mißklang vereinte, und ſie verherrlichte die großen Staatsactionen, indem ſie die Rathhäuſer
der Städte mit den Darſtellungen der Körperſchaften ſchmückte, aus deren Entſchließungen alle
gewaltigen und folgenreichen Regungen der Nation hervorgingen, oder im heitern Waffenſpiel und
den Berathungen der Gilden und Zünfte den Ernſt und das Gewicht einer Nation von Bürger-
helden ahnen ließ.
Wenn in dem Stoffgebiet der holländiſchen Kunſt und ſpeciell derjenigen Rembrandt's, wie
häufig genug mit Befremden bemerkt worden, nicht ganz dasjenige Element als vorherrſchend
angetroffen wird, welches man in Folge eines blutigen Völkerzwiſtes, eines religiöſen Freiheits-
kampfes in den Vordergrund gerückt erwarten ſollte, ſo iſt dies einestheils nur in beſchränktem
Grade richtig, inſofern als nur die Form, in der die vermißten Gegenſtände auftreten, eine eigen-
thümlich neue, fremdartige und ſcheinbar der Größe der Zeit und des Stoffes nicht genügend
entſprechende iſt; andererſeits aber hat dieſe Erſcheinung, ſoweit ſie wirklich vorliegt, auch ihren
guten Grund in den charakteriſtiſchen ſocialen Verhältniſſen, deren Urheber die politiſchen Ereig-
niſſe im Verein mit dem Volksgeiſte waren.
Ein kleines Volk ohne feſte, alteingewurzelte ſtaatliche Organiſation, hatten die Holtänder
gegen die mächtigſte Nation der Welt zähe und am Ende glücklich im Kampfe geſtanden. Wodurch
hätte ſo Großes in's Werk geſetzt werden können, als durch den männlichen Muth der Ueber-
zeugung, durch die volle Hingabe an die höchſten Güter, und zum Erkennen und Ergreifen der
letzteren — durch die kampfgeſtählte ſittliche Feſtigkeit jedes Einzelnen. Jeder Bürger ein Mann,
jeder Mann ein Held, und jeder Anführer nur ein Erſter unter Gleichen: das iſt die Signatur des
öffentlichen Lebens in Holland während dieſer großen Zeit. Alles Beſchränkende mußte da ver-
ſchwinden, vor der perſönlichen Ueberzeugung durfte keine abſolute Norm im ſtaatlichen oder reli-
giöſen Leben Auſpruch auf Allgemeingültigkeit erheben. Die Menge der tüchtigen Einzelnen verlieh
dem bürgerlichen Gemeinweſen ſeine Kraft, und nur in der Form eines freien und freiwilligen
Bündniſſes konnten ſich die verſchiedenen Bürgerſchaften zu einheitlichem Handelu zuſammenfinden.
So concentrirte ſich der Inbegriff des nationalen Lebens nicht in einzelnen vorleuchtenden
Individuen, ſondern das lebendigſte Gefühl von der kräftigen Theilnahme jedes Bürgers an Rath
und That im gemeinen Weſen verlegte den Schwerpunkt des Intereſſes in die bürgerlichen Kreiſe,
in das bürgerliche Leben In dieſer kleinen Republik war durch glückliche Veraulagung und gün-
ſtige Geſchicke der beneidenswerthe Zuſtand herbeigeführt, daß die großen weltgeſchichtlichen Bewe-
gungen dem Gemeingefühl Aller nur als Mittel zum Zweck ſich darſtellten, daß die allgemeine
Wohlfahrt, das Glück friedfertiger Häuslichkeit und die freie, menſchenwürdige Exiſtenz jedes Ein-
zelnen als der große Preis des Ringens erſchien. Im ſtolzen Bewußtſein der Unüberwindlichkeit,
welche ihnen dieſe allerſittlichſte Anſchauung ihrer Aufgaben verbürgte, und im freudigen Behagen
an dem erprobten Werth und dem erſtrittenen ſtillen Glück betrieben die Holländer von damals
einen naiven Cultus der Perſönlichkeit, eine Verherrlichung des privaten Daſeins, in der ungenannt
und ungeſucht die Größe des Gemeinweſens mit gefeiert wurde; und dieſer Richtung folgte noth-
gedrungen, als einer leitenden im Nationalcharakter, auch die Kunſt Sie vertiefte ſich in die
maunichfachen Situationen des ſchlichten Lebens in den verſchiedenſten Kreiſen, ſie offenbarte im
Bildniß das Geheimniß jener zu Schutz und Trutz gerüſteten Perſönlichkeiten, in denen ſich der
Biederſinn des betriebſamen Bürgers mit dem gewichtigen Ernſt des Staatsmannes und Kriegers
ohne Mißklang vereinte, und ſie verherrlichte die großen Staatsactionen, indem ſie die Rathhäuſer
der Städte mit den Darſtellungen der Körperſchaften ſchmückte, aus deren Entſchließungen alle
gewaltigen und folgenreichen Regungen der Nation hervorgingen, oder im heitern Waffenſpiel und
den Berathungen der Gilden und Zünfte den Ernſt und das Gewicht einer Nation von Bürger-
helden ahnen ließ.