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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0109
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Deutschlands Kunstschätze. 67
abgefahren, der, sicher um Aufsehen zu vermeiden, sich am entgegengesetzten Ende der Straße auf-
gestellt gehabt habe. Der Musiker beeilte sich, die Oelhändlerin fortzucomplimentiren.
Schubert hatte, nachdem er unruhig sein Zimmer durchmessen, den Weg an sein altes Piano
gefunden, als sich auf dem Corridor schwere Tritte hören ließen und gleich daraus zwei Männer
mit den Hüten auf den Köpfen und in weite Mäntel gehüllt in's Zimmer kamen.
„Mein Gott, was wollt Ihr denn noch so spät?" fragte Schubert unmuthig.
„Zuerst Dir guten Abend wünschen", antwortete der eine Gast, ein heiter aus großeu Augen
blickender, schlanker, junger Mann, mit überlangem Blondhaar und in einem altdeutschen Rocke.
„Und sodann in der Hoffnung, hier Nachtquartier zu nehmen, daß Du Dein Möglichstes thun
wirst, um uns den sauren Nußdorfer vergessen zu machen, der heute Abend im „Rothen Kreuz"
regiert. Du hattest vorgestern doch eine Art von Stiefelknecht, Schwammerl ..."
„Ach was, mit Eurem Schwammerl!" rief Schubert ungeduldig.
Der zweite Gast Hatte Mantel und Hut abgelegt. Dies war eine untersetzte, breitschulterige
Gestalt, mit dickem Kopf und widerspenstigem, kurzgeschnittenem Haar. Das glattrasirte Gesicht
Hatte etwas Bäuerisches in der breiten, niedrigen Nase und dem großen Mund; die Augen aber,
tief eingesenkt und bedeutsam, verriethen den Denker, welcher zugleich dichterische Begeisterungs-
fähigkeit besitzt. Es war etwas Feierliches, fast Düsteres in diesem noch jungen Mann, dessen
schwarzer Anzug an einen Priester erinnerte.
Um so mehr überraschte es, als dieser Determinirte plötzlich den Regenschirm in der Art
eines mit dem Bajonnet versehenen Gewehrs mit beiden Händen faßte, einen Ausfall mit krachen-
dem Appell machte und mit donnernder Stimme dem in die Ecke retirireudeu Schubert zurief:
„I woas nit — woas halt mi denn ob, Du kloaner Racker, Du — ?"
Schubert hob die Hände empor und sprach mit dem Beschwörungston eines Taschenspielers:
„Waldl, wilder Waldl, willst Ruh geba?"
„Dasmal", declamirte Waldl, drohend den Schirm schwenkend, „dasmal werde ich verschwin-
den. — Aber hüte Dich, Du Racker — Waldl abermals zu stören! Gieb mir den Tschibuk
Schwammerl, da Du doch halt dicht daneben stehst!"
Waldl streckte sich in die Sophaecke und der Johanneskopf stopfte zwei Pfeifen, brachte die
eine dem Faustähnlich brütenden Waldl und spazierte mit der andern in der Stube umher.
„Ich bitte Dich, Moritz, fange nicht Dein ewiges Ambuliren an!" bat Schubert.
„Moritz Schwind — setz' Dich hin — sonst erfahre, wer wir sind!" drohte Waldl und der
Johannes setzte sich. „Und jetzt wird's Zeit, Freunde, daß wir uns ein wenig nach einer Ur-Schu-
bertiade umsehen, die Schwammerl Heute Nacht ohne Wein und ohne unsere Beihülfe allein in
Scene setzen wird!"
„Wohl, es wird eine Schubertiade geben", antwortete Schubert, „vorausgesetzt, daß Ihr, wie
es sich gebührt, Eure Schuldigkeit thut. Ich habe einen sehr ausgiebigen Stoff. Mayrhofer wird
Verse machen und declamiren, Du, Moritz, wirst malen, was er dichtete, und ich werde die Sauce
einer musikalischen Phantasie über Eure Kunstproducte ausgießen! Mein Stoff hat die treffliche
Eigenschaft, ganz und gar dem Leben entnommen zu sein."
„Aha!" sagte Mayrhofer. „Es wird jetzt über Schubert's Operndichter hergehen! Immerhin.!
Ich getröste mich, daß das Publicum bis jetzt nicht entschieden hat, ob mein Opernbuch „Die

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