Venns und Adonis.
Von Annibale Carracci.
Die Gluth der Mittagssonne fing an, die festen Mauern des Palastes Farnese in Rom zu
durchhauchen. In der Galerie, wo Malergerüste aufgestellt waren, wechselten die Arbeiter ihre
mit Farbenflecken reich ausgestatteten Oberkleider und machten sich zum Fortgehen fertig; denn
die Sonne, überall durch die Blenden der Fenster glitzernd hereinlugend, ließ ihnen den Mörtel
unter den Händen erstarren. Singend und scherzend zogen die meist jungen Maler ab und end-
lich erschien anch der Meister, ernst, in sich gekehrt und schloß die Flügelthüren der Galerie sorg-
fältig ab.
Der Meister stand im großen Saale des Palastes, umgeben von den Herrlichsten Sculptur-
bildern alter und neuerer Zeit. Sie schienen sich zu erwärmen, diese griechischen Götter und
Göttinnen, diese altrömischen Bronzen, auf welche der Maler einen prüfenden, von einem Seufzer
begleiteten Blick warf.
Es war eine kräftige, breitschulterige Gestalt, dieser Künstler, welcher in der Vollblüthe des
angehenden Mannesalters sich befand. Da er den breitkrämpigen Federhut in der Hand hielt, so
konnte man seinen Kopf ungehindert betrachten. Das Gesicht besaß große, harte und fast häßliche
Züge; die Nase war breit, der Mund unter dem dünnen Schnurrbart erschien viel zu groß.
Thurmähnlich stieg über dunkeln Augenbrauen eine mächtige Stirn empor, von kurzen, dunkel-
braunen Lockenbüscheln umgeben. Ein willenskräftigeres Antlitz war wohl selten geprägt: Wille,
Kraft und Leidenschaftlichkeit hatten diese Züge geformt und glühend, träumerisch und sanft schau-
ten die großen, tief eingesenkten Augen unter der Stirn heraus, nm die zarte Empfindungsfähigkeit
ihres Eigners unwidersprechlich zu bezeugen.
Ein reichverzierter Lehnsessel, mit einer goldgestickten Herzogskrone prangend, ward von einein
galonirten Lakaien in den Marmorsaal getragen und schwerfällig und langsam, von zwei alten
Schweizertrabanten mehr geschleppt als geführt, kam eine seltsame Figur daher, für welche das
Oeffnen beider Flügelthüren des Saales nothwendig gewesen wäre. Der Umfang dieses im reichen
spanischen Hofkleide prangenden Herrn erschien wahrhaft entsetzlich und erinnerte an ein großes
Faß Falerner, auf welches ein riesenhafter Kürbis gestellt wurde.
Schon drohten den Gewichtigen die ungeheuren Säulenschenkel, welche in weißseidenen Strüm-
pfen und Schnallenschuhen steckten, zu verlassen, als er den Sessel glücklich erreichte und sich ächzend
von den Dienern den Schweiß unter der Wolkenperrücke abwischen ließ.
Der Herr schien uralt zu sein; sein Auge aber war noch frisch und von stolzem Ausdrucke
Deutschlands Kunstschätze. II.
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Von Annibale Carracci.
Die Gluth der Mittagssonne fing an, die festen Mauern des Palastes Farnese in Rom zu
durchhauchen. In der Galerie, wo Malergerüste aufgestellt waren, wechselten die Arbeiter ihre
mit Farbenflecken reich ausgestatteten Oberkleider und machten sich zum Fortgehen fertig; denn
die Sonne, überall durch die Blenden der Fenster glitzernd hereinlugend, ließ ihnen den Mörtel
unter den Händen erstarren. Singend und scherzend zogen die meist jungen Maler ab und end-
lich erschien anch der Meister, ernst, in sich gekehrt und schloß die Flügelthüren der Galerie sorg-
fältig ab.
Der Meister stand im großen Saale des Palastes, umgeben von den Herrlichsten Sculptur-
bildern alter und neuerer Zeit. Sie schienen sich zu erwärmen, diese griechischen Götter und
Göttinnen, diese altrömischen Bronzen, auf welche der Maler einen prüfenden, von einem Seufzer
begleiteten Blick warf.
Es war eine kräftige, breitschulterige Gestalt, dieser Künstler, welcher in der Vollblüthe des
angehenden Mannesalters sich befand. Da er den breitkrämpigen Federhut in der Hand hielt, so
konnte man seinen Kopf ungehindert betrachten. Das Gesicht besaß große, harte und fast häßliche
Züge; die Nase war breit, der Mund unter dem dünnen Schnurrbart erschien viel zu groß.
Thurmähnlich stieg über dunkeln Augenbrauen eine mächtige Stirn empor, von kurzen, dunkel-
braunen Lockenbüscheln umgeben. Ein willenskräftigeres Antlitz war wohl selten geprägt: Wille,
Kraft und Leidenschaftlichkeit hatten diese Züge geformt und glühend, träumerisch und sanft schau-
ten die großen, tief eingesenkten Augen unter der Stirn heraus, nm die zarte Empfindungsfähigkeit
ihres Eigners unwidersprechlich zu bezeugen.
Ein reichverzierter Lehnsessel, mit einer goldgestickten Herzogskrone prangend, ward von einein
galonirten Lakaien in den Marmorsaal getragen und schwerfällig und langsam, von zwei alten
Schweizertrabanten mehr geschleppt als geführt, kam eine seltsame Figur daher, für welche das
Oeffnen beider Flügelthüren des Saales nothwendig gewesen wäre. Der Umfang dieses im reichen
spanischen Hofkleide prangenden Herrn erschien wahrhaft entsetzlich und erinnerte an ein großes
Faß Falerner, auf welches ein riesenhafter Kürbis gestellt wurde.
Schon drohten den Gewichtigen die ungeheuren Säulenschenkel, welche in weißseidenen Strüm-
pfen und Schnallenschuhen steckten, zu verlassen, als er den Sessel glücklich erreichte und sich ächzend
von den Dienern den Schweiß unter der Wolkenperrücke abwischen ließ.
Der Herr schien uralt zu sein; sein Auge aber war noch frisch und von stolzem Ausdrucke
Deutschlands Kunstschätze. II.
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