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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Bearb.]; Meyer, Bruno [Bearb.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0333
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Adriaen van Ostade.

Aehnlich und doch grundverschieden steht Adriaen van Ostade dem Brouwer gegenüber.
Die früher angegebenen Lebensumstände dieses eigenthümlichen und originellen Meisters sind
in neuerer Zeit als thatsächlich unrichtig erkannt und die allerdings lückenhafte Kunde des Wahren
an ihre Stelle gesetzt worden. Gewöhnlich findet man angegeben, daß er 1610 zu Lübeck geboren
und 1685 zu Amsterdam gestorben sei. Beide Jahreszahlen scheinen richtig; seine Geburt sowohl
wie sein Tod ereignete sich aber in Haerlem: dieser Hauptmeister der holländischen Schule war
also auch ein geborener Holländer. Das Jahr seiner Geburt ist urkundlich nicht festgestellt; in den
Taufregistern ist sein Name nicht zu finden, wahrscheinlich deshalb, weil er gleich mehreren Mit-
bürgern seines Namens, von denen es seststeht, der Secte der Anabaptisten angehörte. Doch wird
das überlieferte Geburtsjahr 1610 mit ziemlich ausreichender Glaubwürdigkeit durch eine alte
handschriftliche Notiz um ein gezeichnetes Selbstportrait des Meisters im Besitz des Vr. van der
Willigen bestätigt. Seine Herkunft aus Haerlem ergiebt sich — sicherer als aus dem Umstande,
daß er früher in dieser Stadt eine Rolle spielte, als ihn die früher immer wiederholten Angaben
der alten unzuverlässigen Biographen überhaupt dorthin gelangen ließen (um 1640), — voll-
kommen unzweifelhaft aus der Bezeichuuug des Künstlers im Trauregister bei Gelegenheit seiner-
ersten Verheiratung als „Jongman van Haerlem" (Junggeselle von Haerlem), ein Ausdruck, der-
sprachlich und dem nachgewiesenen Gebrauche zufolge deu Geburtsort des Genannten angiebt.
Im Jahre 1636 wird Ostade bereits als Mitglied der Bürgermiliz der Stadt Haerlem genannt.
Am 26. Juli 1638 verheiratete er sich mit Machtelgeu Pietersen, die ihm aber sehr bald durch
den Tod entrissen wurde: ihre Bestattung wird unter dem 27. September 1642 verzeichnet. Er
schritt dann zu einer zweiten Ehe; wann und mit wem, wissen wir nicht. Aber auch diese Gattin
verlor er: sie wurde am 24. November 1666 beerdigt. Er gehörte natürlich auch zu der Haer-
lemer Malerinnung, und mehrmals saß er zwischen 1647 und 1662 im Vorstande derselben. Das
Jahr 1662 hindurch war er Decan der Gilde, woraus sich die Irrigkeit der älteren Angabe von
seiner in diesem Jahre bewerkstelligten Flucht nach Amsterdam aus Furcht vor den Franzosen (mit
welchen damals gar kein Krieg war!) von selber ergiebt. Ostade starb in seiner Vaterstadt am
27. April 1685 und wurde am 2. Mai zur Erde bestattet. Was über seine äußeren Verhältnisse
verlautet oder Schlüsse gestattet, deutet auf eiue sehr günstige Gestaltung derselben. Bei der sehr
großen Fruchtbarkeit des Meisters — seiner Bilder werden noch jetzt weit über vierhundert nach-
weisbar sein — ist ein solches Ergebniß aber auch ganz begreiflich.
In seinem Kunstcharakter und seiner künstlerischen Entwickelung ist Adriaen van Ostade einer
der interessantesten Meister. Er hat wenig Sinn für schöne Form und anmuthige Bewegung, ja
er treibt gelegentlich einen wahren Cultus der Häßlichkeit. Aber er weiß dem Leben der von ihm
bevorzugten Kreise — er malt fast ausfchließlich die Leiden und Freuden der unteren Stände —
ihre poetische und zumal ihre malerische Seite abzugewinnen. Seine Auffassung ist gemüthlich; er
charakterisirt mit großer Schärfe und Feinheit, und ein erquicklicher Humor waltet in seinen Gemäl-
den. Dabei ist er ein geregelteres Genie als Brouwer, uud so rundet er seine Darstellungen mehr
bildmäßig ab, er schafft vollendete Werke, nicht bloß geistvoll skizzirte Andeutungen von Bildern.
Als wesentlichstes Mittel der malerischen Wirkung dient ihm ein unübertreffliches Helldunkel, in

Deutschlands Kunstschätze. ll.


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