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Gombert, Hermann
Der Freiburger Münsterschatz — Freiburg [u.a.], 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.27919#0063
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den Rundscheiben mit dem blauen Grubenschmelz
zeigen das Fünfpunktmuster wie am Fuß. Auf diesem
reich geschmückten und bewegten Unterbau sitzt die
schmucklose, steil nach oben ausladende Cuppa1.

Leider werden in den Inventaren die Kelche nur sum-
marisch angeführt, so daß keine Angaben über den
Goldschmied oder den Stifter gemacht werden können.
Im Inventar von 1483 heißt es: „Item 11 kelch hat zu den
ziten der sacrist und(er)hand, aber unser fraue hat mer kelch
die man den sacristen nit überantwortet hat.“2

1 I. Schroth a. a. O. S. 43, Nr. 50.

2 MA., Anniversar 1, pag. 60b; Flamm, Schatzverzeich-
nisse, a. a. O. S. 76.

8. ZWEI SPÄTGOTISCHE BUCHDECKEL
Freiburg 1449 (Abbildungen 24, 25)

Silber getrieben, gegossen, ziseliert, graviert, z. T. vergoldet.
Auf Holz montiert. Jaspisse, Bergkristalle und einige Halb-
edelsteine. Höhe = 35,5 cm, Breite — 24 cm, Tiefe = 4 cm.

„Item zwei levitenbiicher, auch überzogen, beschlagen mit
Silber und vergult und hand an Silber 12 mark 4 lot % quinsii
und kosten 19'l/2 ducaten zu vergulden, an (ohne) das edel
gestern, das unser fraw vor gehabt hat, und den zu machen,
zu schreiben und zu binden, kost alles 155l/2 gülden, sein
gemacht worden, do man zalt 1449 iar.“1
Beim Lesen der Zeilen spürt man etwas von dem Stolz
der Pfleger über die damals sicher prachtvoll ausgestat-
teten Bücher. Leider wird der Goldschmied nicht ge-
nannt, dem die Edelsteine zum Fassen aus dem Münster-
schatz übergeben wurden. Welche Texte sie enthielten,
die eigens geschrieben wurden, erfahren wir auch erst
in der Mitte des 16. Jahrhunderts, als die Levitenbücher
im Gewölb des „hohen oder fronaltars“ eingeschlossen
waren. „. . . Inn dem Einen Seindt die Euangeliae, Inn dem
Andern die Epistola, darbey seindt zwey grün Sydin Khis-
selin.“2 Sie. dienten nur bei der Fronleichnamsprozes-
sion und enthielten die Evangelien und die Episteln, die
an den Stationsaltären gesungen wurden. Denn die
Münsterpfleger waren angewiesen, „uf Unsers Herrn
Fronlichnam zu bitten zwen prister zu den himelsen (Trag-
himmel) zu tragen und zwen zu den silberin biichern“3. Da
Priester in der Prozession als Diakone, d. h. als Leviten,
die Bücher trugen, haben sie ihre Bezeichnung. Die
grünseidenen Kissen wurden als Buchstützen auf dem
Altar verwandt.

Jedes Buch besteht aus dem silbernen, reich verzierten,
kastenförmigen Deckel und einer heute mit rotem
Leder überzogenen hölzernen Schlußplatte4. Dazwischen
liegt der handgeschriebene Text, der heute erneuert ist.
Das Silberblech ist auf einen Holzkern genagelt. Ein
Rahmen aus einer breiten und einer schmalen, flachen
Hohlkehle, jeweils von einem Kordelstab eingefaßt,
umgibt den vertieften Grund. Ein naturalistisch geform-
ter Aststab, aus Silber getrieben und graviert mit an-
gelöteten, gegossenen und vergoldeten Blättern ziert
die breite Kehle. Vier geschliffene Jaspisse an den Ecken
und ovale Bergkristalle über barocken Kupferstichen
mit Apostelbildern sind anstelle der alten Edelsteine ge-
treten. Ausgeschnittene Rosetten beleben den schmalen
Randstreifen. Ein Relief, rund gefaßt von einem vor-
stehenden Rahmen, zeigt die Krönung Mariens. Drei
mit Rosetten gezierte flache Kehlen deuten die Stufen
des Thrones an, der als breite Bank gegeben ist. Ge-
schnitzte Wangen mit Fialen und eine durchbrochene
Rückenlehne mit frei gegossenem Fries veranschaulichen
das Möbel. Christus, auf seine Seitenwunde deutend,
und Gottvater halten die Krone über das Haupt Mariens.
Darüber schwebt die Taube des Heiligen Geistes, flan-
kiert von einem Amethyst und einem Turmalin in alten
Fassungen. Der Stil der Figuren ist herb und schwer.
Weich ist der Fluß der Falten. Die Zwickel füllen die
Halbfiguren der Apostel Petrus und Paulus und der
Propheten Jesaias und Elias auf punzierten Wolken.
An den Enden eingerollte Schriftbänder tragen ihre
Namen. Da an dem zweiten Buchdeckel an ihrer Stelle
die vier Evangelistensymbole stehen, darf angenommen
werden, daß dieses Buch die Texte der Episteln um-
schloß. Das Evangelienbuch zeigt als Hauptbild die
Kreuzigung Christi, in der gleichen Art gerahmt. Auf
bergigem Gelände steht die Gruppe. Ergreifend ist die
Figur des Gekreuzigten. Das im Tode geneigte dornen-
gekrönte Haupt, die kräftig vortretenden Rippen am
schlanken Leib und das in geschwungenen Falten weit
herabfallende Lendentuch erinnern noch an die Darstel-
lung des Gekreuzigten im 14. Jahrhundert. Engel sam-
meln in Kelchen das aus den Wunden rinnende Blut.
Bei allem zügigen Schwung der Mäntel, die Maria und
Johannes umkleiden, sind die Köpfe sehr derb gestaltet.
Zwei aufgenagelte Rosetten und fünf Steine in alten
Fassungen, zwei gemugelte Amethyste und drei
Bergkristalle sind symmetrisch angebracht. Die vier
Evangelistensymbole zeigen die gleiche künstlerische
Qualität wie der Gekreuzigte. Alle schmückenden

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