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Gothein, Marie Luise
William Wordsworth: sein Leben, seine Werke, seine Zeitgenossen (Band 1) — Halle a.S., 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.16635#0096
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— 78 —

titelt, selber den Beinamen „Monk" erhielt, leistete in
solcher Geschmacklosigkeit vielleicht das Äufserste; ihm
fehlte jene Bedingung, die Coleridge in den Vorder-
grund stellte, die innere Wahrheit, und deshalb erwecken
uns seine Erzählungen heute nur entweder ein Lächeln
oder ein Gefühl des Ekels.

Hier setzte jetzt Coleridge ein, und mit dem feinen
Takt des Dichters entliefs er die Einbildungskraft, die in
die "Wolken fliegt, doch nie aus der Zucht des Künstlers.
Jeder, der den „alten Matrosen", der die lyrischen Balladen
einleitet, oder Christabel, das damals wenigstens begonnen
wurde, liest, wird ihm gern und willig durch das Fabel-
land folgen. Nichts geschieht, was das Gefühl für Eben-
mafs verletzen könnte; und durch Schweigen zu rechter
Zeit weifs der Dichter alles Geheimnisvolle nur noch ge-
heimnisvoller und traumhafter zu gestalten. Der Matrose,
der seine wunderbare Geschichte beim Hochzeitstanze er-
zählt, interessiert uns mit seinen menschlichen Schick-
salen, wenn ihn auch Geister aus der Gefahr erretten;
und Christabelj die von den Schlingen der schönen Zau-
berin umgarnt wird, erregt unser Mitleid wie ein Vogel,
den eine Schlange belauert. Wir empfinden mit ihr das
Bangen vor der grausen nächtlichen Gesellschaft, um so
mehr da der Einbildungskraft ein weiter Spielraum ge-
lassen wird und wir durch keine krasse Schilderung er-
schreckt werden.

Neben dieser Richtung ging in der englischen Litte-
ratur jener Zeit eine andere einher, die man zusammen-
fassend als die realistische bezeichnen kann. Der Schwer-
punkt ihres Interesses ist der Mensch in der wirklichen
"Welt. Seine inneren und äufseren Kämpfe, seine Wünsche
und Hoffnungen ungeschminkt und ungetrübt, sind der
 
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