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Gothein, Eberhard
Bilder aus der Kulturgeschichte der Pfalz nach dem dreißigjährigen Kriege — Karlsruhe, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.21712#0010
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er daneben ein unermüdlicher Pläneschmied, zieht er die Fäden seiner Politik
von seinem kleinen Lande aus durch die europäischen Verhältnisse.

Eben das gewährt auch seiner inneren Negierung ein Jnteresse, das über
dasjenige der bloßen Lokalgeschichte hinausgeht. Er hat sich seine Bildung
erworben als ein Prätendent, als ein Parteigänger, in fremdem Lande, bestündig
genötigt, seine Ansprüche, seine Würde zu wahren. Schwache Naturen reiben sich
auf, enge Naturen verknöchern in solchem Emigrantentum- aber starke Naturen
erwerben sich darin einen weiten Blick und einen freien Geist. So war es
mit jeuen merkwürdigen Geschwistern bewandt, deren Namen mit der Geschichte
der Aufklärung und der Philosophie im 17. Jahrhundert eben so eug ver-
knüpft sind wie die ihrer Vorfahren und vor allem die ihrer eigenen Eltern
mit der Geschichte der Religionskämpfe. Mit den freien religiösen und philo-
sophischen Ansichten hatte Karl Ludwig in seiner holländischen Lehrzeit zugleich
Ansichten vom Wirtschaftsleben der Völker eingesogen, die denen, welche im
' übrigen Deutschland galten, geradezu zuwiderlaufen. Ks wäre zu viel gesagt,
' wenn man ihn als einen unbedingten Vertreter einer Ansicht hinstellte, die in
j der sreien Entfaltung der wirtschaftlichen Kräfte und in der Beschränkung des
' Staates auf gesetzgeberische Maßregeln das Wesen des wirtschaftlichen Fort-
schritts sieht; wohl aber ist er als der Vorläufer einer solchen zu bezeichuen.
Durch das Schema des allerwärts üblichen Merkantilismus bricht bei ihm
überall die Überzeugung durch, daß er seine Unterthanen zn wirtschaftlicher
Selbständigkeit erziehen niüsse. So ist die Geschichte der Pfalz unter seiner
Regierung beinahe als eiu merkwürdiges — und der Erfolg lehrt es, als ein
gelungenes Experiment unter schwierigen Umständen zu bezeichneu. Sie sieht
anders aus als die Geschichte des übrigen Deutschland in jener Epoche, und
vieles von dem, was damals von einem geistreichen Fürsten vorläufig erstrebt
und versucht wurde, hat vorbildliche Bedeutung erlangt.

Es würe nicht angezeigt, an dieser Stelle ein vollständiges Bild dieser
Regierung zu zeichnen; nur das soll versucht werden, aus unbekanntem Material,
wie es die Archive in großer Menge enthalten, einige besonders charakteristische
Momente hervorzuheben, und durch die Beleuchtung einiger Punkte etwas
Licht auf das Problem zu werfen, das im Anfang dahin bestimmt wurde:
wie ist es zugegangen, daß die Kurpfalz in kurzer Zeit sich in so erstaunlicher
Weise wieder erholt hat?*

Freilich wenn man eine einheitliche Richtschnur, die unabünderlich ver-
folgt wird, in dieser Wirtschaftspolitik suchen wollte, wäre dies vergebliche

* Die vorliegende Skizze greift insofern in drci frühcre Aufsätze des Verf. ein: Die
Landstände der Kurpfalz, Mannheim im ersten Jahrhundert seines Bestehens und Der Ober-
rhein vor und nach dem 30jährigen Kriege. Eine eiugehende Darstellung dieser Dinge soll
dcr demnächst erscheinende Band der Wirtschaftsgeschichte Les Schwarzwaldes und der
angrenzeuden Landschaften bringen.
 
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