niter allen Landschaften Deutschlands ist keine von den Verwüstungcn
des dreißigjährigen Krieges so lange und so schwer heimgesucht
^ worden wie die Kurpfalz, aber kaum eine hat sich nach dem Friedens-
schlusse so rasch erholt, ist in ihrem wirtschaftlichen wie in ihrem geistigen Leben
so schnell wieder zu einer gewissen Blüte gelangt, wie sie, Vierzig Jahre
Frist waren ihr vergönnt; dann brach cine neue Verwüstung, fast so schlimm
wie die srühere, wenn sie auch wegen ihrer kürzeren Dauer nicht mehr zur
Verödung des Landes führen konnte, über sie herein. Diese vierzig Jahre, deren
grvßerer Teil durch die Regierung des Kurfürsten Karl Ludwig ausgefüllt
ist, bleiben eine der merkwürdigsten Epochen der deutschen Kulturgeschichte, ein
Zeugnis für die unverwüstliche Lebenskraft unferes Volkes. Mehr wie je
haben wir jetzt, nachdem eine Meisterhand den Prozeß der Gesundung Deutsch-
lauds uach namenlosem Verfall gezeichuet und das Wirrsal der Ereignisse jener
Zeit, das auf den ersten Blick eiu trostlofes Chaos zu sein scheiut, iu seinen ein-
fachen Grundlinicn aufgewiescn hat, das vielberufene 17. Jahrhuudert schätzen
leruen.* Jn dieser denkwürdigen Epoche ziehen vor allem zwei Männer das
Auge auf fich: der Große Kurfürst von Brandenburg und, wenn auch in
weitem Äbstand, doch immerhin als der zweite: Karl Ludwig von der Pfalz. Jn
ihrem Wesen, ihrem Bildungsgang, ihren Anschauungen, ihrer Politik durch-
aus verschieden, verschieden auch die historischen Bedingungen, die ihnen durch
die Vergangenheit und die Natur ihrer Länder und Völker gestellt wareu,
konnten sie einander kaum verstehen. Die Größe Fricdrich Wilhelnis blieb
dem geistreichen Karl Ludwig ebenso wie seiner noch geistreicheren Schwester
Sophie von Hannover vcrschlossen. Jn ihren Briefen finden sie kaum andere Äuße-
rungeu als Spottworte und satirische Spitznameu für ihn. Auch mag man sagen:
den Kindern des Winterkönigs haftet allen etwas vom Aventurier an; das hatte
ihr Leben mit sich gebracht**, und so sehr auch Karl Ludwig selber zu ent-
sagender, pslichttreuer, im Kleinen bauendcr Thätigkeit Anlage besaß, bleibt
* Erdmannsdörffer, Dcutschc Geschichtc vom westphälischen Frieden bis zum Rcgierungs-
antritt Friedrichs des Großen. 1648—1740, 2 Bände, Berlin, 1892—1893,
** Vgl. übcr die Art, wie sich dieser Familiencharakter in den einzelnen Geschwistern
ausdriickt, die geistreiche Charakteristik der Familie von A, Dove, Dic Kinder des Winterkvnigs,
Beilage znr Allgemeinen Zeitnng, Jahrg. 1891. Nr, 82—84,
des dreißigjährigen Krieges so lange und so schwer heimgesucht
^ worden wie die Kurpfalz, aber kaum eine hat sich nach dem Friedens-
schlusse so rasch erholt, ist in ihrem wirtschaftlichen wie in ihrem geistigen Leben
so schnell wieder zu einer gewissen Blüte gelangt, wie sie, Vierzig Jahre
Frist waren ihr vergönnt; dann brach cine neue Verwüstung, fast so schlimm
wie die srühere, wenn sie auch wegen ihrer kürzeren Dauer nicht mehr zur
Verödung des Landes führen konnte, über sie herein. Diese vierzig Jahre, deren
grvßerer Teil durch die Regierung des Kurfürsten Karl Ludwig ausgefüllt
ist, bleiben eine der merkwürdigsten Epochen der deutschen Kulturgeschichte, ein
Zeugnis für die unverwüstliche Lebenskraft unferes Volkes. Mehr wie je
haben wir jetzt, nachdem eine Meisterhand den Prozeß der Gesundung Deutsch-
lauds uach namenlosem Verfall gezeichuet und das Wirrsal der Ereignisse jener
Zeit, das auf den ersten Blick eiu trostlofes Chaos zu sein scheiut, iu seinen ein-
fachen Grundlinicn aufgewiescn hat, das vielberufene 17. Jahrhuudert schätzen
leruen.* Jn dieser denkwürdigen Epoche ziehen vor allem zwei Männer das
Auge auf fich: der Große Kurfürst von Brandenburg und, wenn auch in
weitem Äbstand, doch immerhin als der zweite: Karl Ludwig von der Pfalz. Jn
ihrem Wesen, ihrem Bildungsgang, ihren Anschauungen, ihrer Politik durch-
aus verschieden, verschieden auch die historischen Bedingungen, die ihnen durch
die Vergangenheit und die Natur ihrer Länder und Völker gestellt wareu,
konnten sie einander kaum verstehen. Die Größe Fricdrich Wilhelnis blieb
dem geistreichen Karl Ludwig ebenso wie seiner noch geistreicheren Schwester
Sophie von Hannover vcrschlossen. Jn ihren Briefen finden sie kaum andere Äuße-
rungeu als Spottworte und satirische Spitznameu für ihn. Auch mag man sagen:
den Kindern des Winterkönigs haftet allen etwas vom Aventurier an; das hatte
ihr Leben mit sich gebracht**, und so sehr auch Karl Ludwig selber zu ent-
sagender, pslichttreuer, im Kleinen bauendcr Thätigkeit Anlage besaß, bleibt
* Erdmannsdörffer, Dcutschc Geschichtc vom westphälischen Frieden bis zum Rcgierungs-
antritt Friedrichs des Großen. 1648—1740, 2 Bände, Berlin, 1892—1893,
** Vgl. übcr die Art, wie sich dieser Familiencharakter in den einzelnen Geschwistern
ausdriickt, die geistreiche Charakteristik der Familie von A, Dove, Dic Kinder des Winterkvnigs,
Beilage znr Allgemeinen Zeitnng, Jahrg. 1891. Nr, 82—84,