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Gothein, Marie Luise
Indische Gärten: mit 71 Abbildungen — München [u.a.], 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.17363#0079
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samen Bau etwas von einer Schönheit mitwirkt, die über die festen
Formen der Architektur hinausgeht. Ein englischer Dichter hat viel*
leicht verstanden, etwas von diesem Unwägbaren in dem Atem dieser
Kunst festzuhalten.

„Nicht Baukunst ist es, wie die andern alle:
Der stolze Strom von eines Kaisers Liebe
In Stein gestaltet, welcher glüht und schwebt,
Gedanken, Seele bannt im schönen Leib. —

Wie wenn das Antlitz
Von einer unaussprechlich schönen Frau
Göttlich verklärt sich unserm Blick enthüllt,
Das Blut aufpulst, der Geist in uns aufjubelt,
Die Kniee sich zu tiefer Ehrfurcht neigen,
Indes der Atem stockt — so ist der Taj." 60)

Nach Shah Jehan ging diese hohe Blüte der Baukunst bald unter. Wohl
ist unter Aurangzib weiter noch eifrig gebaut worden — aber der Stil
wird roher, gedankenloser und bald nichts mehr als öde Wiederholung
alten Gutes ohne eigentliches Leben. So wenn Aurangzib seiner Tochter
ein vergröbertes Abbild des Taj als Grabmal in Aurangabad errichtet;
die Kunstfertigkeit ist noch groß, die Kunst aber doch tot; nur die Klein*
kunst, besonders die Miniaturmalerei, dauert in Nordindien noch weit
in das 18. Jahrhundert hinein und ihr verdanken wir auch die Gewiß*
heit, wie allen Wirren zum Trotz, in die das Reich der mongolischen
Kaiser immer mehr versinkt, die Pflege der Gärten und das reiche,
bunte Leben in ihnen weiter fortging. Diese ganze Kunst stirbt bei der
ersten Berührung mit der europäischen Kultur. Gewiß, die muhame*
danische Kunst in Indien hatte sich zu Ende gelebt, und als der fremde
Militarismus weit schlimmer hauste, weil er gedankenlos lange Zeit
hintereinander die Paläste verdarb oder abriß, um Baracken aufzurich*
ten, erhob sich keine einheimische Stimme dagegen, man war ja so ge*
wohnt, Altes fallen zu sehen.

Auch die brahmanisch*indische Baukunst hat durch die Berührung mit
Europa schweren Schaden gelitten, doch sind hier manche Umstände
wirksam gewesen, um sie nicht so ganz zerbrechen zu lassen wie die
zarte Blüte der muhamedanischsindischen Kunst. Einmal war die reli*
 
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