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Rohlfs, Christian; With, Karl; Galerie Goyert
Christian Rohlfs — ... Buch der Galerie Goyert, Fünftes Buch: Köln a. Rhein: Galerie Goyert, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.62483#0005
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CHRISTIAN ROHLFS

Nun wohl — Christian Rohlfs ist eines Tages Professor ge-
worden. Aber er kann nicht dafür. Geradeso wie er
eines Tages plößlich siebzig Jahre alt wurde. Aber
man hätte auch Rübezahl oder Robinson oder Gulliver oder den
Suppenkasper zum Professor machen können. Und auch von
Ihnen weiß man doch nie recht, ob sie noch leben und wo sie
sind und wie sie aussehen.
Aber woher diese sagenhafte Verschollenheit von Christian
Rohlfs, die so Vielen erst bei seinem 70. Geburtstag zum Be-
wußtsein kam? Weil er so ganz zurückgezogen im Folkwang
haust als Diogenes — oder wie in der Höhle des einäugigen
Riesen oder des wolkenspeienden Drachens? Doch gewiß nicht!
Denn die Wolken sind sicher nur Zigarrenrauch und man kann
in seiner Höhle höchstens in eine Kiste von Aguarellen hinein-
fallen; im übrigen sieht man aber Bilder und Bücher und Blumen
und findet einen Nestor, mit dem man sofort Lust hätte, gemein-
sam das gut gemästete Schwein des Nachbarn blau anzustreichen;
einen Menschen, der durch alle Entbehrungen hindurch das Leben
lustig gefunden und alle Not dem lieben Gott nicht verübelt hat;
dessen Selbstbewußtsein das eines Bauern ist, dessen Derbheit
Wahrhaftigkeit ist und dessen heiter-grimmiges Lachen so voller
Güte strahlt. Nein — das alles ist es nicht! Aber es geht uns
mit ihm wie mit dem alten Renoir, wie mit dem alten Rodin, daß
wir selbst zu jung sind, um zu begreifen, daß ein lebender Mensch
soviel Vergangenheit und Tradition verkörpert, so tief in die Ge-
schichte der Zeit zurückgreift.
Kurzum, Christian Rohlfs, der Professor, über siebzig Jahre
alt, wohnhaft zu Hagen und auf der ganzen Welt, lebt — jung wie
David und alt wie Moses. Lebt und malt, liest und malt, raucht

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