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Graphisches Kabinett (München) [Mitarb.]; Hausenstein, Wilhelm [Bearb.]
Französische Graphik von Ingres bis Picasso: Verzeichnis von 263 Lithographien, Radierungen u. Zeichnungen; [Sommer-Ausstellung] — München: Neumann, [1929]

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https://doi.org/10.11588/diglit.62207#0066
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weißen die volle Pracht der Palette. Etliche dieser Stoffe
sind den beiden Romantikern gemeinsam: als Beispiele
grandioser Gesinnung und Handschrift. In der Betrach-
tung der Blätter des Delacroix zu Goethe, zu Shakespeare
wird wahrscheinlich mancher sein Urteil über diese
Dinge im Sinn einer wachsenden Bewunderung korri-
gieren. Daumier, im Charakter seiner Lithogramme erst
plastisch, nachher malerisch, nimmt den breiten Raum
ein, der ihm gebührt; Dor# etwas jünger (um etwa
25 Jahre), steht hinter ihm, findet aber auch die Wen-
dungen einer persönlichen Genialität; Gavarni ist eine
schmale Gestalt, aber auch neben Daumier ein Mann
mit Physiognomie. Nun geht der Weg schon herwärts
zu uns: über die wunderbare Phantasie Redons, über die
dichterische Zartheit und Üppigkeit Fantins (dem die
Lithographie guttat) zu Renoir, zu Bonnard (der in Li-
thographie sein Bestes geschaffen hat); dann zu Lautrec,
Sisley, Cezanne, Gauguin, Matisse, Vuillard, Vlaminck,
Braque, Derain, auch zu den Bildhauern Rodin und
Maillol. Lautrec erhebt sich zu abenteuerlicher, zu chi-
märischer Größe. In den Jüngeren dann gewinnt die
zeichnerische Form jene abstrakt-artistische Schönheit,
die den Gewinn und den Verlust unserer Epoche aus-
macht.
Auf dem Feld der Radierung erhebt sich voran die
heraklitische Feuernatur des Delacroix. Am einläßlich-
sten aber ist es von den Barbizonern bestellt: den Corot,
Daubigny, Theodore Rousseau, Millet; nach ihnen von
Manet und Ribot, deren Stil von einem magischen „See“,
von einer geheimnisvollen Deutlichkeit, ja Schärfe und
Trockenheit bezeichnet ist. Als seltsame, „spinnende“
Eingänger kommen Meryon und Bresdin daher. Im Be-
reich der Handzeichnungen, dem freilich knappen der
Ausstellung, begegnet man den Namen Guys, Cezanne,
Degas, van Gogh, Pissarro. Sie aussprechen heißt sie
verehren. Den Bezirk beschließt die lange, feine, gleich-
sam asketisch gestreckte und asketisch reduzierte Linie
des Picasso. Wilhelm hausenstein

druck: b. heller, München
 
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